Orginaltitel: Quién puede matar a un nino?
Alternativtitel: Tödliche Befehle aus dem All
Land/Jahr: Spanien 1976
Regie: Narciso Ibánez Serrador
Darsteller: Lewis Fiander, Prunella Ransome, Antonio Iranzo
MIT "EIN KIND ZU TÖTEN" HAT DER SPANISCHE-URUGUAYANISCHE REGISSEUR NARCISO IBÁNEZ SERRADOR IM JAHRE 1976 EINEN VERSTÖRENDEN FILM GESCHAFFEN, DER OHNE ZWEIFEL ZU DEN BESTEN WERKEN DES HORRORGENRES ZU ZÄHLEN IST. ES IST EINER VON LEDIGLICH ZWEI KINOFILMEN, DIE SERRADOR (1935-2010), DER IN SEINEM HEIMATLAND AUCH ALS DER SPANISCHE HITCHCOCK BEZEICHNET WIRD, ZEIT SEINER KARRIERE GESCHAFFEN HAT ...
Warum der Name Narciso Ibánez Serrador dennoch relativ unbekannt ist, lässt sich vor allem durch die Tatsache begründen, dass Serrador, der seine Filmkarriere Ende der 1950er Jahre als Drehbuchautor begann, sein Schaffen hauptsächlich auf das Medium Fernsehen beschränkte. Ab 1962 drehte er diverse Serien und Filme fürs spanische Fernsehen, bevor er 1969 mit dem Mystery-Thriller "Das Versteck" seinen ersten Spielfilm schuf und mit diesem reichlich positive Kritikern erntete. Nach weiteren TV-Produktionen folgte 1976 sein Magnum Opus "Ein Kind zu töten", das ein Jahr später tatsächlich auch in deutschen Lichtspielhäusern unter dem Titel "Scream" zu sehen war. Unter dem Titel "Tödliche Befehle aus dem All" feierte der Film schließlich im Videothekenzeitalter seine Premiere, wurde allerdings im Jahre 1984 indiziert und erst im September 2008 wieder freigegeben. Doch was ist das Besondere an Serradors Werk, das indiziert und dessen Sinn verändert wurde? Und aus welchem Grund benennen noch heute viele spanischsprachige Filmemacher wie Guillermo del Toro ("The Shape of Water"), J. A. Bayona ("Das Weisenhaus") und Jaume Balagueró "[REC]" Serrador als ihr großes Vorbild?
"Ein Kind zu töten" beginnt mit drastischen Dokumentarszenen fünf verschiedener Kriegsschauplätze: Dem Zuschauer werden Schwarzweißbilder aus einem deutschen Konzentrationslager, dem Indisch-Pakistanischen Krieg, dem Koreakrieg, dem Vietnamkrieg und dem nigerianischen Biafrakrieg präsentiert. Ein Sprecher aus dem Off betont dabei, dass es hauptsächlich Kinder waren, die unter dem Krieg leiden mussten und liefert dazu Zahlen, wie viele Kinder in den jeweiligen Konflikten getötet wurden. Die verstörenden Bilder werfen zugleich die utopische Frage auf, ob es das dokumentierte Leid auch gegeben hätte, wenn es auf der Welt nur Kinder und keine Erwachsene geben würde...
Die Schwarzweißbilder weichen nun Bildern von spielenden Kindern an einem sonnigen nordspanischen Mittelmeerstrand. Just hierher hat es das englische Touristenpärchen Tom und Evelyn verschlagen, das in den gefilden der Costa Dorada allerdings nur kurz verweilen wird. Das eigentliche Ziel der beiden ist eine idyllische kleine Insel, die einige Kilometer vor der Küste liegt. Tom war vor vielen Jahren schon einmal dort und will nun diesen Ort auch seiner Frau zeigen, bevor diese in wenigen Wochen ein Kind zur Welt bringen wird. Mit einer kleinen Nussschale setzt das Pärchen schließlich zur Insel über und freut sich auf einige sorglose Tage im Paradies.
Als die beiden am kleinen Fischerhafen der Insel anlegen und dort lediglich spielenden Kindern begegnen, erscheint ihnen dies nicht weiter ungewöhnlich. Erst, als sie auch im kleinen Inseldörfchen lediglich Kinder und keinen Erwachsenen antreffen, beschleicht das Pärchen das mulmige Gefühl, dass auf der Insel etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Der Verdacht bestätigt sich, als Tom beobachtet, wie ein kleines Mädchen einen betagten Mann mit dessen Gehstock erschlägt und er kurz darauf Zeuge wird, wie die Kinder den Getöteten als menschliche Pinata mit einer Sichel malträtieren. Für Tom steht fest, dass er mit seiner Frau sofort von der Insel fliehen muss, bevor die Kinder sich auch gegen sie wenden. Als die beiden Besucher ihr Vorhaben in die Tat umsetzen wollen, stehen sie am Ortsausgang einer großen Gruppe von Kindern gegenüber...
Die Klasse von Serradors sphärischem Meisterwerk wird durch unterschiedliche Elemente generiert. Ein wichtiges Stilmerkmal ist dabei die Tatsache, dass der Film ausschließlich im Tageslicht spielt und somit - ähnlich wie "The Texas Chainsaw Massacre" - eine Ausnahme im Horrorgenre darstellt. Der sonnigen und idyllischen Atmosphäre, die die Insel mit ihren hübschen Häusern, Hotels und Bars liefert, stellt Serrador eine beklemmende Stimmung gegenüber, die durch die Isoliertheit und Menschenleere des Ortes erzeugt wird. Die Stille im Städtchen wird lediglich durch den verstörenden Synthesizer-Soundtrack von Waldo de los Rios, sowie die Gesänge und das Kichern der Kinder unterbrochen. Serrador kreiert dabei eine ähnliche Stimmung, wie man sie in Filmen wie "Picknick am Valentinstag" (1975) und "Long Weekend" (1978) wiederfindet. Auch in diesen Filmen geht es um die Konfrontation zwischen Mensch und Natur.
Abschließend sei noch erwähnt, wie der Videothekentitel "Befehle aus dem Weltall" zustande kam.
Dieser rührt daher, dass der Film nach seiner Indizierung der kompletten schwarzweißen Anfangsszene beraubt und stattdessen eine Texttafel eingeblendet wurde, die folgende Information vermittelte:
"Dieser Film spielt um das Jahr 2000. Er ist eine Vision, die Wirklichkeit werden könnte, wenn..."
Der deutsche Verleih wollte auf diese Weise die Verbindung zum Holocaust umgehen und dem Publikum die Produktion als Science-Fiction-Film verkaufen, in dem die Motivation der Kinder durch außerirdische Mächte - ähnlich wie im Sci-Fi-Klassiker "Das Dorf der Verdammten" aus dem Jahre 1960 - erzeugt wurde. Tatsächlich entspringt dies eher der Romanvorlage "El juego de los ninos" ("Das Spiel der Kinder") des spanischen Autors Juan José Plans, der als Ursache für das Verhalten der Kindern einen gelben Pollenregen erdachte. Serrador und Plans waren befreundet, und noch bevor Plans seinen Roman zu Papier brachte, adaptierte Serrador die Idee als Drehbuch, sodass sich diverse Unterschiede zum Buch ergaben.
FaCTs of FEAR:
Im Jahre 2012 entstand in Mexiko unter dem Titel "Come Out and Play - Kinder des Todes" ein Remake des Films, das dem Original nahezu Szene für Szene folgt, ohne jedoch dessen Intensität zu erreichen.