Kennst du Folgen aus vergangenen Zeichentrickserien, die auf Kinder derart verstörend wirkten, dass sie verboten wurden? Folgen, die in bekannten Internetforen wie Reddit als banned cartoon episodes bekannt sind ? Wie zum Beispiel eine Tom & Jerry Folge, in der Jerry Tom auf perfide Weise umbringt ? Oder die berüchtigste aller gebannten Folgen, Squidward's Scuicide, in der der Tintenfisch Tadeus seinen qualvollen Depressionen erliegt und sich am Ende selbst das Leben nimmt ?
Auch ich hatte in Kindestagen einst eine obskure, 20 minütige Zeichentrickfolge gesehen, die ich nun in keiner Staffel mehr finde. Ich suche sie, nicht weil ich der Nostalgie wegen alte Kindheitserlebnisse wieder auffrischen möchte, sondern weil ich einen Beweis brauchte, damit meine Schmach des Rufes eines Lügenauftischers ein Ende hat. Denn immer, wenn ich mich in Foren umhöre und fremde Nutzer auf diese Cartoonfigur ansprach, die bei ihnen nur Lachen als erste Reaktion hervorrief, wusste doch niemand von einer Folge, die so schlimm gewesen sein soll, dass sie wieder aus dem Programm genommen wurde. Doch die verrückten Serienmacher hatten, meiner jetzigen Überzeugung nach, einen noch viel größeren Plan. Sie hatten etwas produziert, das die Kinder damals nicht nur verstören sollte, sondern sie in ihrem wirklichen Leben auch beeinflussen konnte. Ich glaube nämlich, dass der Schrecken meiner Kindheit tatsächlich lebendig geworden ist! Dass dieses Lachen aller Leute, die ich auf das Thema ansprach, einen Fluch heraufbeschwor, der diese verrückte Cartoonfigur zu Fleisch und Blut werden lies!
Meine Recherchen begannen vor zwei Wochen. Als ich auf einer Seite für Internetmythen einen Blogbeitrag erstellte, in dem ich wissen wollte, ob jemand eine beschlagnahmte Folge von Braceface kannte. Dass ich es ernst meinte, wollte mir niemand glauben. Sofort sah ich mich dem Vorwurf ausgesetzt, dass ich mich über die Seite nur lustig machen wollte, wodurch mein Account am darauffolgenden Tag gesperrt wurde. Ich lies mich davon jedoch nicht entmutigen, womit ich mich im Kreise schräger Leute umhörte, die Zeichentrickserien wie Sammlerstücke betrachteten und sich in der Materie Bestens auskannten. Stets wurde mir nur gesagt, dass diese Serie für Mädchen gedacht war, und auch die Produzenten, dieses Werk niemals in einer schockierenden Form veröffentlicht hätten, sei es auch nur ein Halloween Special gewesen. Ich sollte mich also damit abfinden, dass es meinen schrecklichsten Kindheitsmoment nie gegeben hatte, bis ich ihn eines Tages direkt vor mir Stehen sah! Ich war so naiv gewesen zu glauben, dass Fragen nichts kostet und dass heitere Reaktionen von Leuten, die ich fragte, keine schlimmen Folgen nach sich ziehen würden. Als ich an jenem Tag nämlich meine kleine Tochter Bibi in den Kindergarten brachte, hatte sie einen leichten Astmaanfall, worauf ich ihren Bronchieninhalator zur Hand nahm. Diesen schüttelte ich kräftig durch, damit der Wirkstoff durch den Druck dann besser ausströmen konnte. Bibi hustete noch und öffnete für den Inhalator dann den Mund, als plötzlich mein Handy in der Tasche klingelte und ich dieses... Monster hinter meiner Tochter bemerkte.
Bevor ich jedoch fortfahre, möchte ich weiter ausholen und erzählen, was ich damals geglaubt habe im Fernsehen gesehen zu haben.
Ich war damals acht Jahre alt und musste wegen eines schlimmen Astmaanfalls in die Notaufnahme. Mein Gesicht war blau angelaufen und weil mein Körper um Sauerstoff geradezu rang, entlud er sich im Überlebenskampf in heftige Schüttelkrämpfe. Ich drohte zu ersticken. Ich sah meine Mutter weinen. Ich sah die Ärzte in hektischen Bewegungen um mich herumfuchteln. Sah, wie sie mir ein Medikament spritzten und einen Beatmungsschlauch in den Rachen steckten. All das beobachtete ich von der Decke herab. Nichts war mehr klar erkennbar, sondern unscharf und diffus zerlaufen. Nichts bewegte sich mehr mit der Zeit fließend, sondern stand in seiner jeweiligen Pose zu neuen Zeitpunkten an neuer Stelle. Und das Einzigste, das ich hörte, war mein Herz, das immer langsamer und leiser schlug. Als für mich auch die Zeit keine Rolle mehr spielte, wurde ich von einer Kraft durch die Luft gezogen. Durch Türen, durch Wände, durch Menschen... Ich flog durch das diffuse Chaos des Krankenhauses, bis ich in einen schrecklich heruntergekommenen, langen Flur gezogen wurde, an dessen Ende nichts mehr existierte. Ich hatte solche Angst vor dem Sterben, doch als mein Ende kurz bevorstand und ich in diese Finsternis gezogen wurde, wachte ich plötzlich schweißgebadet in meinem Krankenbett auf.
Ich hörte den lauten Piepton eines EKGs und erblickte auf einem Monitor ein linienförmiges Wellenmuster mit ungleichmäßigen Amplitudenausschlägen, bis sich mein Puls wieder normalisierte und das periodische Signal eines normal, funktionierenden Herzes etablierte. In meinem Unterarm steckte eine Kanüle, die mit einer Infusionflasche verbunden war, während neben meinem Bett noch weitere Monitore angebracht waren, die zu einer Konsole zusammengeschlossen waren und die unterschiedlichsten Daten anzeigten.
Ich war allein in diesem Zimmer und außer einer Lampe, die um eine Ecke herum verborgen war und grünes Licht des Nachtbetriebes spärlich an die Wand streute, war es dunkel. Ich fragte mich, ob das Schlimmste wohl überstanden sei und ahnte dennoch sehr schnell, dass etwas nicht stimmte. Denn trotz, dass ich auf einer Intensivstation lag, fühlte ich mich großartig. Das himmlische Gefühl von frischer Luft, die von meinen Lungen absorbiert wurde, war mir noch unheimlicher, als der makabere Anblick einer ausgeschalteten Beatmungsmaschine, die mit einer dünnen, durchsichtigen Kunststoffplane abgedeckt war und neben meinem Bett stand. Wie konnte es mir schon so gut gehen, wo ich dem Tod doch so nah war?
Eine gefühlte Minute lang drückte ich nur auf den Knopf eines Apparats, der für Notfälle gedacht war, doch hatte dies bloß die selbe Wirkung als würde ich auf ein Spielzeug drücken. Niemand kam mir zur Hilfe. Also tat ich das, was jedes achtjährige Kind wohl getan hätte: Gegenüber von meinem Bett, war passend zu meinem Blickfeld ein 20 Zoll Fernseher an der Decke angebracht, während die Kopfhörer, sowie die Fernbedienung, passend auf dem kleinen Tisch, neben mir lagen.
So setzte ich die Kopfhörer auf, schaltete den Fernseher ein und... war verwirrt. Denn statt dem Standard-Nachtprogramm, wie Erotikwerbung oder Casinospots, sah ich einen seltsamen Mann vor einem flimmernden Hintergrund stehn, der eine Max Headroom Maske trug und wirres, unverständliches Zeug sprach. Meine Annahme, dass ich zufällig in einen Horrorfilm gestolpert war, erwies sich als falsch, da auch auf anderen Kanälen dieses schräge Programm lief. Auch, als ich zu meinen Lieblings Kinderkanal zippte, erkannte ich diesen Mann mit der Maske. Dort trat er allerdings in einer, für Kinder, geeigneten Form auf: In Gestalt einer Cartoonfigur.
Ich wollte umschalten, doch es ging nicht.
Ich wollte ausschalten, doch es ging nicht.
Ich klopfte auf die Fernbedienung, prüfte die Batterien und versuchte erneut den Fernseher auszuschalten, doch es ging nicht!
Als der Bildschirm plötzlich hart aufflackerte dachte ich, dass dieses Programm den Fernseher kaputt gemacht hatte, bis direkt darauf eine Sequenz von kurzen Videoabschnitten abgespielt wurde, deren Bildqualität derart miserabel war, dass eine genaue Beschreibung nicht möglich ist. Es handelte sich wohl um eine wirre Mischung zusammengeschnittener Clips von Amateurfilmaufnahmen, Spielfilmszenen, sowie anderem Filmmaterial. Ich weiß nicht, ob ich das, was ich sah, mit der schockierenden Videoband-Szene von Event Horizon vergleichen soll, oder mit der parodierten Ring-Tape-Szene aus Scary Movie 2. Ich sah den beschleunigten Verwesungsprozess einer Leiche, satanistische Beschwörungsrituale, widerliche Maden, die sich im rohen Fleisch exponentiell vermehrten, sowie die groteskesten Talkshowgäste der Fernsehgeschichte. Ich hörte den Sound von Toilettenspülungen, Würgegeräuschen und Flüssigkeiten, die in andere Flüssigkeiten geschüttet wurden. Sei es Kotze, flüssige Scheiße oder nur Wasser. Weird Director's Cut, sozusagen.
All das langweilte mich aber nur. Mit verschränkten Armen schaute ich mir beleidigt diesen Blödsinn an, als das Bild bei einer Szene, in der ein Hahn mit einer teuflischen Stimme in die Kamera sprach plötzlich einfror und nach einem Rauschen darauf eine neue Bracefacefolge angekündigt wurde. "Sharons andere Seite", hieß der Titel, der ominösen Folge. Begleitet wurde der Titel von einer schaurigen Melodie und ich, der Braceface nicht kannte und nichts anderes tun konnte als zuzusehen, wartete darauf, dass es losging. Am Anfang sah man Sharon in ihrem Zimmer vor einem Spiegel sitzen. Sie wirkte niedergeschlagen und teilnahmslos. Ihre Augen hatten ein krankhaftes, blau-violettes Spiralmuster und sie blickte bloß in den Spiegel und jammerte darüber, dass sie nicht zur Schule gehn wollte. Schnell wurde mir klar, dass diese Folge merkwürdig war, da Sharon in der darauffolgenden Szene einen Revolver aus ihrem Schrank holte, den sie in ihre Schultasche einpackte. Dann verlies sie ihr Zuhause.
Man erfuhr nicht, warum Sharon so deprimiert war, noch sah man, wie es ihr in der Schule erging. Die Szene schnitt nämlich wieder in Sharons Zimmer, wie sie vor ihrem Spiegel saß und weinte, bis ein Rauschen das Bild störte. Dann wurde ein Foto von Sharon eingespielt, welches vom Lachen zahlreicher Menschen begleitet wurde. Alle lachten Sharon aus. Sie lachten über ihre Kopfform, über ihre Augen und ihren zu breiten Mund. Sharon erlitt darauf einen Nervenzusammenbruch und zerstörte voller Frust den Spiegel. Schließlich sah man sie noch eine Scherbe aufheben und mit ihrem blau-violetten Spiralmuster in den Augen verrückt lachen.
Direkt darauf wurde die Bildqualität schlechter. Ich entsinne mich jedoch, dass es grausame und blutige Bilder waren, die ich erblickte. Bilder von Cartoonfiguren, die ermordet wurden und tot auf dem Boden lagen. Dabei zoomte das Bild auf die tödlichen Verletzungen, stets begleitet von einem unheimlichen Sound. Manche Figuren wurden erstochen, andere erschossen. Manchen wurden die Eingeweide rausgenommen, andere wurden zerstückelt. Bei der Polizei ging darauf ein Anruf ein, in dem eine Stimme nur über die Opfer spottete und sprach: "Sie sind tot. Sie sind alle tot ahahahah"
Dann sah man die wohl verstörendste Szene der Folge: Man sah Sharon, die sich selbst entstellt hatte und aus einem Keller telefonierte. Ihr Kopf war kahlrassiert. Tiefe Wunden von einer Glasscherbe klafften in ihrer Haut. Mit dem Revolver hatte sie sich selbst in den Kopf geschossen, wodurch sie den Durchschuss mit Klammern zu tackern musste um zu verhindern, dass ihr Gehirn rausflutschte und die Zahnspange hatte sie rausgenommen, wodurch ihre Zähne nicht ordentlich gerade, sondern spitz waren.
Ich erinnere mich nicht mehr daran, was danach passierte, nur entsinne ich mich noch, dass ich am nächsten Morgen mit einer Beatmungsmaske auf meinem Mund in meinem Krankenbett aufwachte. Der Fernseher lies sich normal bedienen und in den Programmen lief nichts Ungewöhnliches mehr. Ich erzählte meiner Mutter, sowie den Ärzten von meinem Erlebnis, doch entgegneten sie mir bloß, dass ich nur davon geträumt hätte. Nun bin ich erwachsen und erblickte hinter meiner Tochter meinen zu Fleisch und Blut gewordenen Albtraum. Es hatte tiefe Narben im Gesicht, trug eine dicke Zahnspange, an der rosa Zuckerwattefetzen hingen und wartete darauf, dass ich den Anruf annahm. Vor Schreck hatte ich versehentlich auch meiner Tochter mit dem Astmaspray in ihr Auge gesprüht, bis ich sie an die Hand nahm und mit ihr nach Hause flüchtete. Doch auch dort konnte ich dem Monster nicht entkommen, das mich mit seinem Handy versuchte anzurufen. Schließlich ging ich ans Telefon, wo eine schreckliche krächzende Stimme sprach:
"Ich bin die Sharon.. Sharon.. SHAROOOONNNN"