Deutsches Creepypasta Wiki
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Langsame Rhythmen, schneller Schritt. In formvollendeter Schönheit schwingen meine Füße über den steinernen Boden, wie ein graziler Wirbelsturm in Äonen vor der Zeit. Freude und Ekstase reißen mich mit, ich muss mich einfach vollkommen diesem Himmelstanz hingeben, sonst werde ich niemals mehr solch immense Glücklichkeit fühlen wie nunmehr hier auf dem Parkett.

Wie wundervoll anmutig doch ist die Musik. Langsam und bedacht, doch beseelt von einem Füllhorn aus Emotion und Energie. Ein stattlicher Walzer, aber so viel mehr als das! Die leuchtende Melodie brennt sich wie ein gleißender Funke auf die Mauern meiner Seele, und niemals wieder werde ich ihr verloren gehen! So mitreißend und voll der Schönheit ist ihr Klang, dass sich im Verlauf der Bewegungen oftmals das Gefühl einer Ohnmacht bemerkbar macht. Doch ihre Zeit ist noch nicht jetzt, nicht während des Tanzes!

Mit schnellen Rissen an meiner ohnehin unbedeutenden Kleidung gebe ich den Umstehenden jeden meiner Reize preis, alles achtet allein auf meine eigene Lichtgestalt! Sie alle bewundern mich mit gierigen Augen, beneiden mich um meine Fertigkeiten im Umgang mit der feinen Kunst anmutigen Bewegens, des formvollendeten Tanzes. Ihrer aller Blicke zeugen von Eifersucht, doch ist sie nicht allein mir vorbehalten: Viele ihrer vor aufkeimendem Zorn glühenden Augen sind starr auf ihn gerichtet, meinen wundervollen Tanzpartner. Ich liebe ihn mit all meinen Sinnen.

Er führt unseren magischen Tanz, und meine Glückseligkeit steigt allein durch seine Anwesenheit. Seine dunklen Augen, die schillernde Haut, die kühle Fröhlichkeit in seinem Gebaren, seine schnelle und erregende Art des Tanzens... vollkommen gebe ich mich seiner Perfektion hin und schwelge in den transzendentalen Wellen der Melodie, wie eine Galeere inmitten eines weiten Nebelmeers.

Unsere Schritte werden langsamer, ebenso die Musik, und ich erkenne den Anbruch meines Abgangs. Es wird Zeit, anderen den Vortritt auf diesem Tanzparkett zu lassen und ihnen die Möglichkeit zur phantastischen Erfahrung dieses gleißenden Walzers zu geben. Mit bedächtigen Schritten und einem wunderschönen Decrescendo endet unser Tanz, mit weichen Bewegungen und einem intensiven Schlussakkord.

Das drückende Gefühl der sich anbahnenden Ohnmacht überkommt mich erneut, doch diesmal kämpfe ich nicht dagegen an, schaue allein in das wundervolle Antlitz meines Partners. Er leuchtet so wundervoll, während er mich mit größtmöglicher Behutsamkeit auf dem Boden ablegt und mit Stolz in meine Augen sieht.

“Schlaf, mein Kind, bald naht unser nächstes Tänzchen. Doch du wirst dich ausruhen müssen, für eine längere Zeit, aber hab keine Angst. Ich werde in deinem seligen Schlummer auf dich achtgeben.”, haucht er mit Weisheit, erhebt sich vom Boden und stürzt sich erneut mit Wonne in das Getümmel auf dem schillernden Parkett.

Und je weiter sich meine müden Augen schließen, umso ruhiger wird mein bis eben noch tobendes Herz und versetzt mich in den süßesten Schlummer dieser Welt. Er ist weder schmerzhaft noch wohltuend, doch einzigartig in seiner Form der Ruhe. Dieser uralte Schlaf nämlich kann nur von besonderen und würdigen Seelen erlangt werden.

Von jenen, die in Ekstase versunken sind und daher nicht einmal bemerkten, dass ihr letztes großes Glück ein kurzes Tänzchen mit dem Tod gewesen ist.

Flatinka (Diskussion)

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