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Wie eine Mutter mit ihrem Baby…‘
 
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Version vom 30. Mai 2018, 20:18 Uhr


„Guck mal!“ Auf der ausgestreckten Hand des kleinen Jungen kam ein Ei zum Vorschein. So eins, die man in Ein-Euro-Shops für billige 0,99 Euro angedreht bekommt, um sie später als kleine Überraschung dem braven Bub in die Hand zu drücken. Der konnte dann entscheiden ob er sie auf dem Boden zersplitterte, mit dem tollen, neuen Hammer von Papa zerstörte oder in ein Glas mit Wasser tunkte. Meistens entschieden sich die braven Buben für erstere Methoden, aus dem einfachen Grund heraus, dass es doch so einen tollen Krach gab, sollte man das Ei gnadenlos den Boden küssen lassen oder der Hammer von Papa doch unbedingt in das handwerkliche Geschick eingeweiht werden müsste, bevor er sich ans Werk machen durfte, damit er auch ja wusste, was er zu tun hatte. Der Hammer, nicht der Papa natürlich. Sollte der Rotzbengel sich aber für letztere Methode entscheiden; das Ei also in einem Wasserglas auf Probe tauchen zu lassen, schlüpfte innerhalb weniger Stunden ein Dinosaurier, Schlumpf, Küken, Pinguin oder Godzilla heraus, allerdings ohne Taucheranzug, was die Jungen immer wieder aufs Neue enttäuschte.  ‚Wie soll Godzilla denn die supercoole Spielzeug-Legostadt zerstören, wenn es doch vorher schon im Wasserglas ertrunken ist?‘ Schade war dann auch noch, dass die Dinger meistens nicht mehr als zehn Minuten überlebten. ‚Mama, der Schlumpf will irgendwie nicht anfangen zu brennen. Meinst du ich darf mir Benzin nehmen?‘ Das in diesem Moment noch glatte und glänzende Ei lag auf dem Patschhändchen des Buben, dem sicheren Tode durch Hammer oder Hexenverbrennung geweiht, wie so viele seiner Vorgänger auch. „Das Ei tu ich zu Hause ins Wasser!“ Selbstzufrieden steckte der Junge sein neues Zerstörungsobjekt zurück in seine Manteltasche. Du erwiderst nichts darauf, was hattest du auch schon groß zu einem Plastikei zu sagen!? So wendetest du dich wieder der Einkaufstasche deiner Mutter zu, die Vorräte zum Versorgen einer mittelgroßen Armee enthielt. Napoleon wäre dankbar gewesen. Bevor du allerdings durch die Tür in das kleine, weißgestrichene Mehrfamilienhaus treten konntest, huschte der Junge an dir vorbei, eine Hand schützend an die linke Manteltasche gelegt, in welcher soeben das Ei verschwunden war. „Pass doch auf, du Knalltüte!“


„Das Ei ist gewachsen!“ Begeistert schielte der Bengel über den Rand des Tisches auf das Ei, welches, wie ein Embryo in einer Fruchtblase, in einem Wasserglas schwamm. Es fehlte nur noch die Nabelschnur.  Vorsichtig nahmst du das Glas und stelltest es auf eine höher gelegene Anrichte, denn aus dem Augenwinkel hattest du die Katze ausgemacht, die gerade um die Ecke strich. Dir war nicht das interessierte Funkeln in ihren Augen entgangen, als sie das zum Umwerfen verlockende Glas auf dem Tisch mit ihren findigen Augen ausgemacht hatte. In letzter Zeit war schon so viel durch die verspielten Katzenpfoten auf dem Boden zerbrochen. Erst Opas Antik-Vase mit goldenem Rand, dann ein Foto von der Hochzeitsreise deiner Mutter und deines Vaters, auf dem sie überglücklich in die Kamera gestrahlt hatten. Zuletzt hatte ein niedlicher, kunstvoll gearbeiteter Porzellanhase auf dem Boden seinen Tod gefunden, aber du hattest es nicht besonders Schade um ihn gefunden. Die Augen des Nagetiers schienen dich immer zu verfolgen und dir damit das Leben schwergemacht, denn der Hase saß direkt der Keksschachtel von Mama im Regal gegenüber. Immer wenn du dich heimlich in die Küche geschlichen hattest, wenn deine Eltern nicht zu Hause waren, starrten dich die tiefschwarzen Augen vorwurfsvoll an, wenn du dir einen Keks nach dem anderen in den Mund stopftest. Jetzt war der ehemalige Kekswächter als Scherbenhaufen in ein Altersheim namens Mülltonne abgeschoben worden, was der Keksschachtel nicht unbedingt zu Gute kam: Da ihr Bodyguard fehlte, wurde sie jetzt wahrscheinlich öfter als die ‚Bank of London‘ ins Visier genommen. Noch härter umkämpft war nur das Sparschwein, dass es sich allerdings in der Obhut von der Mutter gemütlich gemacht hatte und mit der Zeit immer fetter wurde. Das machte sich vor allem bemerkbar, wenn man es kräftig schüttelte. Gerade jetzt standest du wieder im Stickzimmer deiner Mutter, nur ein paar Armlängen vom Objekt deiner Begierde entfernt, denn der Bäcker hatte gerade eine neue, besonders leckere Brötchensorte herausgebracht. Tagelang hattest du dir das Geschwärme deiner Freunde mitanhören müssen, die sich reihenweise um die Theke scharrten. Nur noch ein paar Zentimeter trennten dich noch von dem fetten Vieh von Sparschwein, als ein freudiger Aufschrei dich zusammenzucken ließ, deine Hand machte sich selbstständig und stieß mit der Geldquelle zusammen. „Mama, Papa, guckt mal, guckt, es ist rausgekommen! Das müsst ihr unbedingt sehen und-und-und…!“ Gute Güte. Am Ende würde er noch an seiner eigenen ohrenbetäubenden Stimme verrecken.

„Es ist hässlich!“ Mutter wich vor dem Glas zurück und verzog ihr Gesicht. Vater sagte gar nichts dazu. Er stand einfach nur neben ihr, seinen Arm um ihre Hüfte gelegt und beäugte das Wesen im Glas misstrauisch, als würde es urplötzlich zum Leben erwachen und ihm einen seiner neun Finger abbeißen. Der eine fehlende war schon einem Pferd zum Fraß vorgefallen. Du konntest dir unheimlich gut vorstellen, dass dein Vater nicht bereit wäre, noch einen seiner verbliebenen Finger einzubüßen. Neben dem Vater tanzte der sechsjährige Junge, als ob das Glas einen mächtigen Regengott beinhalte, der über irgendein in südamerikanischen Gefilden heimisches Volk von zurückentwickelten Kannibalen herrschte und die nächste Sintflut auslösen würde. Du bereutest keine Lupe dabeizuhaben, du hättest auf der Distanz, die dich dein Vater gezogen hatte, das Wesen aus nächster Nähe betrachten können. So musstest du dich mit dem zufrieden geben, was du jetzt an Informationenen zu sammeln vermochtest. In dem klaren Quellwasser, dass von dem Bach vor eurem Haus stammte, schwamm eine winzige, schwarze Kreatur, gerade so klein, dass sie bequem in deine Hosentasche passte. Allerdings ähnelte das Ding eher einem kleinen Baby, als einem Pinguin, Schlumpf oder Godzilla, die sich sonst in den Eiern befanden. Beinahe faszinierend war es, wie fein ausgearbeitet die Züge des Babys waren. Sie erschienen menschlich, hatten aber andererseits doch etwas Tierisches an sich.  Beinahe könntest du niedlich sagen, doch die Gegenwart deiner Mutter hielt dich davon ab; wahrscheinlich würde sie es sofort entsorgen, wenn sie das hören würde, mit der Begründung, der Inhalt dieses Eis hätte einen schlechten Einfluss auf dich und deinen Bruder.

 "Geht es dir gut?" Du beobachtest ihn. Er geht nicht an dem Glas vorbei, ohne einmal mit der Fingerkuppe drübergestrichen zu haben. "Sprichst du wieder mit ihm?" Er schreckte auf. Unter seinen Augen waren dunkle Ringe zu erkennen, die Haut schien blass. Der Junge wirkte zittriger als zuvor. "Es hört mich" Er flüsterte es, sanft gehaucht und kaum hörbar. "Findest du ihn nicht auch wunderschön?" Liebevoll strich er über die Wand des Glases, worin das schwarze Wesen schwerelos schwebte, die kleinen Ärmchen fest an den Körper angepresst. Du betrachtest das menschenähnliche Wesen. "Ich schätze Schönheit liegt im Auge des Betrachters, ich könnte das höchstens niedlich nennen." Er wendet sich wieder dem Wesen zu, du hörst ihn flüstern. "Es geht ihm gut. Er mag dich"  Du lachst. "Das freut mich für ihn. Sag ihm, dass ich ihn auch sehr sympathisch finde."  Leise entfernst du dich aus dem Zimmer un läasst ihn mit dem Wesen allein.

,Ich werde dich töten müssen. Du verdienst das Leben nicht' Du stehst vor der Anrichte und legst deine Hände um das Glas. Es fühlt sich kühl an, ebenso kühl wie sein Inhalt. ‚Das kann nicht sein. Jeder will leben. Also will ich auch leben. Es wird immer gepredigt, jeder hätte ein Recht auf Leben. Der Jude wie der Christ. Der Mörder wie der Bürger. Alle sind gleich, alle haben die gleichen Rechte, also hab´ ich ein Recht auf Leben.‘ ‚Aber nicht, wenn du dafür tötest.‘ Nur ganz kurz zuckte der Gedanke in deinem Kopf auf und verlor sich sofort wieder in dem unendlichen All deines Bewusstseins. Allerleirauh kicherte trotzdem. ‚Hab dich gespürt.‘ Neckend spiegelte sich die Stimme in deinem Kopf, raste durch deine Gedankengänge, spielte mit deinem Wahrnehmungsvermögen, indem sie vorgab, es freundlich gemeint zu haben. Hatte Allerleirauh nicht. Der sachte Faden der Kommunikation zog sich nun zwischen euch in die Länge. ‚Du hast nicht das Recht zu töten.‘ Allerleihrauh zuckte bei deiner Feststellung in seiner Embryohaltung kurz, rührte sich dann aber nicht mehr. ‚Der Junge war für mich das, was für dich deine Mutter ist, wenn du noch in ihrem Bauch herumschwimmst. Ich fühlte mit ihm, ich rannte mit ihm, ich ärgerte mich mit ihm. Sogar weinen tat ich mit ihm. Und er war glücklich. Glücklich zu wissen, dass es da an seiner Seite noch etwas gab, verbunden durch die Schnur der Emotionen. Aber wie ein Baby muss auch ich wachsen, muss ernährt werden und brauche mehr Nahrung, je größer ich werde. Im Gegenzug dafür, dass ich mit deinem Bruder alles teilte, nahm ich mir von seinem Lebenssaft, denn das brauche ich um größer zu werden. ‘ Du warst außer Stande etwas zu erwidern. Die kränklichen Augen deines Bruders spiegelten sich in deinem Bewusstsein wieder, wie er langsam dem Ende entgegenging. Und er hatte es gewollt. Er hatte mit Allerleirauh kommuniziert, er hatte es freiwillig getan.


Er hat es freiwillig getan. Immerhin war er es, der sich mit mir unterhalten hat, was sollte ich da anderes tun als antworten?‘ ‚Warum willst du leben?‘ ‚Warum tötet der Mörder?‘ Du musstest aufhören dich mit diesem Wesen zu unterhalten, du bemerktest, wie die Kraft aus dir langsam entwich, wie Saft aus einer süßen Frucht. ‚Deine Entscheidung ob du weiterdenken willst oder nicht. Aber brauchen tust du es doch.‘ Allerleirauh verstummte wieder, sein kleiner schwarzer Körper trieb im Wasser auf und ab. Wenn du es so betrachtetest; hätte deine Mutter früher in der Steinzeit gelebt, wäre sie wahrscheinlich auch bei deiner Geburt umgekommen. Vielleicht sogar noch davor. In dem Sinne wärst du nicht besser als Allerleirauh gewesen. Dein rechter Mundwinkelzug zuckte. Es war so schrecklich absurd. Aber so gesehen hatte Allerleirauh recht; für jedes weitere Leben, musste ein anderes vergehen. Der kleine Embryo hatte sich nur genommen, was ihm zustand, es war sein Bruder gewesen, der das zugelassen hatte. Nachdenklich betrachtetest du das schwarze Wesen in dem Glas. Es musste ein unglaublich beglückendes Gefühl für deinen Bruder gewesen sein, so direkt seine Gefühle mit jemandem teilen zu können, ohne dass diese verschmutzten. Wie eine Mutter mit ihrem Baby…‘