Deutsches Creepypasta Wiki
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Ich stehe fröhlichen Blickes auf.

Normalerweise sollte ich dazu gezwungen sein, jedoch koste ich begierig jede Sekunde aus, um im Diesseits mein Dasein zu fristen.

Ich kann ohnehin des Öfteren kein Auge zudrücken, ohne immer und immer wieder die vergangenen Schrecken erneut zu erleben, welche sich anhand meiner Kratzer an der gegenüber liegenden Wand, viele Jahre zuvor ereignet haben sollen. 'Die Zeit heilt alle Wunden' heißt es. 'Bullshit' sage ich. Mit jedem Tag erinnere ich mich detaillierter an meinen letzten Coup.

Das Geschäft meines Lebens, welches mir das Leben nahm. Zumindest den Großteil meines geistigen. Es ist nämlich nicht die Zeit, welche mich manche Nacht in Sicherheit wiegt, sondern die meterdicken Stallmauern.

Ich habe das Glück mich in einem der aus- und somit auch einbruchsichersten Gefängnisse des Universums zu befinden. Dem der russischen Föderation zugehörigen Knastes 'Delfin'.

Täglich habe ich lediglich mit mir zutun. Vernünftigerweise sollte man meinen, dass dies nicht sonderlich fördernd für den Geist sei. Aber in meinem Fall, ist es lebensnotwendig.

Seit 33 Jahren hatte ich keine Menschenvisage zu Gesicht bekommen, jedoch regelmäßig Beleidigungen zu hören, und Tritte zu spüren bekommen, von denen ich glaube, menschlichen Ursprungs zu sein. Ich erhalte unregelmäßig den Befehl, mich an die Wand zu lehnen, bevor mir ein Kartoffelsack über den Kopf gestülpt wird, und ich tretend und von Hunden anbellend in eine Halle gezerrt werde.

Die 'Frisch-Luft'-Zelle, wie ich sie nenne. Wie sie von anderen Insassen genannt wird, kann ich lediglich erahnen, da ich nie welchen begegnet bin. Manchmal habe ich das Gefühl der einzige Gefangene in einem Komplex von Gängen und Fluren zu sein.'Frisch-Luft'-Zelle halte ich jedoch für am naheliegendsten.

Ein recht großer Raum in dem ich für einige Minuten mit Ketten umherstolzieren darf. Und das zu jeder Tageszeit. Zumindest glaube ich das, da ich aufgrund der Decke nie erkennen kann wie spät es ist. Die Öffnungen zwischen Decke und den Wänden offenbaren nicht wirklich das Tagesgemüt, und sind stets gleich erhellend, da das Areal dahinter vermutlich permanent beleuchtet wird. Aber deshalb nenne ich diesen Freigang ja auch nicht 'Frei-Licht' oder 'Frei-Himmel'-Zelle. Die Sonne könnte schon längst ohne mein Wissen implodiert sein.

Und dennoch labe ich mich in glückseliger Sicherheit. Denn die Umstände meiner Gefangennahme wurden von Fortuna gesegnet. Wie konnte ein Ausländer, wie ich, in einem solch, gelinde ausgedrückt, beschissen-gottlosen Knast landen? Nun, durch einen Bankraub. Die Schwiegermutter aller Verbrechen, und der Anfang, und das Ende der meisten Gangster-Stories.

Wir waren ein vier-köpfiges Team, welches mehrmals gemeinsam in ganz Europa operiert hatte. Anonym versteht sich. Der Boss verstand es, uns alle voneinander zu schützen, und gleichzeitig sein Fablé für die Historie auszuleben.

Beim letzten Raub in der südrussischen Großstadt Brjansk, erlaubte er sich den ironischen Spaß, uns allen Masken auszuhändigen, welche Persönlichkeiten des NS-Regimes darstellten. Das war mir und meinen Kollegen stets zuwider, aber fügten wir uns dennoch jedes Mal den Neigungen des Bosses. Er selbst trug diesmal eine Hitler-Maske. Ich durfte als Goebbels mein Bestes geben, während ich von einem Göring-Maske-tragendem gedeckt wurde. Der verlässliche Fluchtfahrer, war kein anderer, als Heydrich.

Es verlief alles nach Routine. Wir wurden, wie auch dutzende Male zuvor, von keinem Widerstand konfrontiert. Nachdem die Jungs allesamt in den Fluchtwagen eingestiegen waren, und ich gerade dabei war, ebenfalls einzusteigen, hielt mich eine unerwartete Kraft zurück. Ein alter und gebrechlicher Greis mit Krückstock zerrte an meinem linken Arm. Ich schubste ihn weg, worauf er sich kräftezehrend erneut an mich krallte, während er umsich fluchte. Ich brüllte ihn an, auf das er sich entfernen solle, jedoch blieb er beständig, zumal er mich wohl genauso gut verstand, wie ich ihn. Meine Kollegen drohten in aller Hektik, abzuhauen, obwohl ich einen wesentlichen Teil der Beute bei mir hatte.

Es ging so schnell. So fucking schnell. Der Alte stürzte geradezu widerspenstig auf seine Knie und klappte dann zusammen, nachdem ich ihm in den Brustkorb geschossen hatte. Ich stieg endlich ein, und das nächste woran ich mich erinnerte, war das Gejubel meiner Kollegen, als wir uns inmitten des Brjansker Waldes auf der Flucht befanden.

Ich kannte einige Legenden über diesen Ort. Doch war ich in Gedanken wo ganz anders. Ich verfluchte diesen Raub und warf während der Fahrt meine Maske aus dem Wagen. Einer der Kollegen bemerkte dies und äußerte Bedenken, während die anderen unaufhörlich jubelten, bis ein plötzlicher Schuss ertönte.

Erneut erinnere ich mich nicht mehr genauer. Ich wachte neben unserem Wagen auf. Der Fahrer wurde gezielt aus dem Nichts erschossen. Wir erkannten, dass die Bullen uns doch unerwartet gefolgt haben mussten und rannten, samt Beute, in den dichten Wald, um die Verfolger abzuschütteln.

Verzweifelt raste der Boss einen Hügel hoch, ehe er in einen Graben fiel, welches von Ästen und Blättern abgedeckt war.

Hatten die Bullen es tatsächlich soweit geplant? Uns exakt hierher zu hetzen?

Lediglich mein letzter verbliebener Kollege und ich konnten darüber philosophieren, da der Boss von geschärften Ästen im Graben aufgespießt wurde.

Sowohl das Herumphilosophieren, als auch seine Hilfe-Schreie, welche sich rasch zu Sterebehilfe-Rufen änderten, wurden von uns beiden missachtet, da wir feige weiter rannten.

Beständig hörte ich Schüsse und Explosionen, als würde ich mich inmitten eines Schlachtfeldes befinden, bis mir der Unterarm des verbliebenen Kollegen entgegen flog. Ich war tatsächlich einem Granaten-Radius davongekommen.

Daraufhin begab ich mich magnetisiert und geschockt zurück zur Straße. Es hatte keinen Sinn mehr. Ich kniete mich auf den Straßenrand.

Die Festnahme erfolgte gefühlt erst nach einer Stunde. Wahrscheinlich aufgrund meines Schocks.

Die Polizei-Streife hielt an, Beamte stiegen aus und droschen fluchend auf mich ein.

'Ihr verdammten Bastarde!' grölte ich schmerzerfüllt.

'Was sollen diese verfickten Psycho-Fallen?!' fuhr ich lautstark fort.

Einer der Cops hielt daraufhin inne und hielt seinen Partner zurück.

Er verstand zufällig meine Muttersprache und erwiderte: 'Die einzigen Fallen die es hier je gab, wurden längst entsorgt. Du bist hier der Kranke! Weil du einen unserer Helden erschossen hast, welcher uns einst vor den Nazis verteidigt und hier Fallen mit seinen Genossen erbaut hatte!'.

Danach prügelten sie weiter auf mich ein. Und nach einem recht einseitigen, unkomplizierten Prozess, in welchem man mir bewaffneten Raubüberfall, und den Mord von vier Personen angehängt hatte, sitze ich nun hier.

Und ich bin glücklich darüber.

Denn was auch immer damals geschah, hier scheine ich sicher davon zu sein, ich...

'klopf, klopf'

was zum...

einer der Wärter hat mir soeben ein Paket durch den Türschlitz geschoben.

Normalerweise bekomme ich auf diese Art undefinierbaren Fraß.

Was könnte ein Paket in dieser Hölle von Bedeutung haben?

Zuerst scheu, aber dann vor Neugierde brennend, reiße ich das Paket auf. Ob mich wohl jemand zuhause endlich gefunden hat, und mir was zukommen lässt?

Meine verbliebenen Hoffnungsschimmer reißen die Verpackung auf...

was zum...

eine Goebbels-Maske...

Moment...

das ist...

oh fuck...

was bist du?!

Lass mich... Hilfe!

FUCK HILFEEEEE!!!

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