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Die Messung


Es war ein privates Labor, in dem Doktor Eugen arbeitete und obwohl es nicht nach viel aussah, wurden beachtliche Mengen an Geld und Mittel zu Verfügung gestellt. Ich hatte großen Respekt vor seinem Genie, obgleich ich nicht immer alles verstand, über was er sprach oder philosophierte. Nur so viel verstand ich, er wollte eine Art von Wissen aus dem Äther ziehen. Er sprach viel von Quantentunnelung und deren Verschränkung, das meiste war mir zu hoch, aber ich war ja bloß Assistent. Er meinte, er hätte Hinweise auf den Äther gefunden, wenn man die Unendlichkeit in Betracht zöge. Gleichwohl weiß ich sehr wohl das wir nicht mit Sicherheit wissen, dass unser Universum eine unendliche Ausdehnung hat. Meistens arbeiteten wir mit Spiegel. Eugen meinten, so könne man Photonen in neue Aggregatzustände zwingen.

Ich wusste damals noch nicht, das Licht überhaupt Aggregatzustände haben konnte, aber wenn man sich Eugens brillante Mathematik vor Augen führte, musste man ihm einfach glauben. Es fing alles damit an, dass er einen Spiegel von besonderer Art ins Labor brachte. Ein Quantenspiegel so, wie er es nannte, der tatsächlich 100 % der einfallenden Strahlen zurückwarf. Solch ein Spiegel war wirklich ungewöhnlich, dem normalen Betrachter scheint es nicht weiter verwunderlich, dass ein Spiegel das ganze Licht zurückwirft. Aber dem ist nicht so, es ist unter normalen Umständen schon hart eine Reflexion von über 99,9 % zu erreichen.

Ich hatte keine Ahnung wo, wann oder wie er diesen Spiegel aufgetrieben hatte oder wie er erschaffen wurde, aber die Messungen zeigten, dass der Spiegel tatsächlich das hielt, was Eugen versprach. Er deutet an das der Spiegel, kaum größer als ein Reiskorn, aus China stammen würde. Auf jeden Fall, wurde diese Vorrichtung die auch jenen Spiegel beinhaltete einzig und alleine zum Zwecke einer Messung geschaffen. Wir peilten mithilfe eines Lasers eine Singularität an. Jene Singularität, die sich im Zentrum unsere Heimatgalaxie befand.

Nun könnte man meinen, dass man Jahrtausende auf die Messergebnisse eines solch weit entfernten Objektes warten müsste. Aber dem war nicht so, irgendwie hatte Eugen es mithilfe seiner verrückten Mathematik geschafft, das relativistische Problem zu lösen. Die Messergebnisse waren noch seltsamer als die Tatsache, dass wir nach nur drei Tagen Ergebnisse erhielten. Sie zeigten eine unendliche Größe des Universums an.

Was das philosophisch impliziert, muss ich ja nun nicht erwähnen. Aber nun gut, es bedeutet, dass eine unendliche Varianz von Dingen existiert, von denen sich viele niemals beeinflussen werden würden. Aber genau das eben hatte Doktor Eugen getan, er hat den unendlichen Raum durchmessen. Es bedeutet, dass alles Vorstellbare und alles Unvorstellbare zur selben Zeit neben uns im Raum existiert. Es bedeutet, dass es Orte gibt, an denen die gängigen Regeln der Physik nicht mehr gelten.

Orte, die in demselben Raum liegen wir, nur eben sehr sehr weit weg. Aber dies war nur der Anfang der Experimente. Eugen wollte feststellen, ob der Raum selbst eine Richtung besäße und dazu peilte er eine andere Singularität im Raum an. Er nahm dafür das Herz der Andromeda, unsere uns nächste Galaxie, und tatsächlich der Raum wies nicht nur eine, sondern sogar mehrere Richtungen auf. Was auch immer das bedeutete verstand nur Eugen selbst. Doch dann geschah ein Unfall.

Obgleich ich mir nicht sicher bin, ob dies nicht von Eugen selbst gewollt war. Er wurde von dem aus der Singularität zurückkehrenden Laser im Auge getroffen. Seit dem sprach er immer wieder von seltsamen Bildern, die sich angeblich in sein Gehirn eingebrannt hatten. So viel möchte ich hier noch erwähnen, es waren schreckliche Bilder, von denen er berichtete. Er sah zum Beispiel im All lebende Kreaturen von unermesslicher Größe, die trotz ihrer eigenen Schwerkraft nicht unter ihrem Gewicht kollabierten.

Er beschrieb sie als vielarmig und von blau leuchtend Runen und Mustern verziert. Er beschrieb Welten aus Fraktalen, die nichts Gutes zu bedeuten hatten und Dinge, die selbst für ihn unerklärlich waren. Er sagte, er habe die neun Pforten in den Abgrund gesehen, hinter dem die Welt jenseits von Raum und Zeit lag. Ich sagte mir das Genie und Wahnsinn eben nahe beieinanderliegen doch dann begann er, diese Maschine zu bauen. Es war ein groteskes Ding aus Zahnrädern, Schrauben, Spiegeln, einem Dieselgenerator und einer Abart eines Glasbehältnisses, in dem eine gallertartige Flüssigkeit gefangen war.

Es war nicht wirklich die Art von Maschine, die man von der modernen Wissenschaft erwarten würde. Sie wirkte wesentlich älter und rudimentärer. Dann fing Eugen an immer öfter zu verschwinden, weiß Gott wo hin. Bis ich dann eines Tages auf die grausame Wahrheit stieß. Er holte sich, während er verschwand, menschliche Organe und pflanzte sie in das grauenhafte Konstrukt. Als ich ihn darauf ansprach, griff er mich mit übermenschlicher Stärke an. Der schon in die Tage gekommene und eher schmächtig wirkende Professor hob mich mit einem Arm weit in die Luft und geiferte: „Das du mir kein Wort nach außen verlierst Wilbolt oder du bist der Nächste, mit dem ich die Maschine füttere.“

Seine Augen waren Rot, blutunterlaufen als hätte er eine schwere Augenkrankheit. Natürlich rief ich die Polizei, die mir zuerst kein Wort glaubte, dann aber doch kam. Eugen bekam allerdings Wind davon und sperrte mich in den Keller des Laboratoriums. Ich weiß nicht, was er den Polizisten erzählt hatte, aber es konnte nur eine Lüge sein. Ich weiß auch nicht, warum mich Eugen nicht einfach umbrachte, er sagte nur und tat dabei sehr geheimnisvoll, er müsse mir etwas Wunderbares zeigen. Später dann entnahm er mir eine Niere und einen Teil meiner Leber.

Ich war dabei bei vollem Bewusstsein, bis mich der Schmerz übermannte, aber ich erinnere mich noch genau, dass er lachte, während er schnitt. Manchmal brachte mich Eugen ins Labor, um mir seinen Fortschritt zu zeigen, während er immer wieder in den zurückfallenden Laser schaute und er schien mit jedem Lichtstrahl, der sein Auge penetrierte noch ein Stück wahnsinniger zu werden. Was mich aber am meisten erstaunte und gleichzeitig erschreckte, war, dass die Organe nicht zu faulen schienen.

Jeden Tag höre ich nun das entsetzliche Rattern und Pumpen der Höllenmaschine und jeden Tag bete ich zu Gott, jemand möge Eugen aufhalten. Es schien auch so als ob sich Eugen mit jedem Mal, mit dem der Laserstrahl sein Auge traf, sich mehr von dem mystischen und unbekannten Wissen aneignete. Er wurde ohne zu übertreiben noch intelligenter aber auf eine verdorbene und böse Art und Weise. Ich bekam in meinem Keller auch mit, dass der Doktor einen Kult gründete, der ein Wesen anbetete, das angeblich am Ende der Zeit wohnte.

Ich bin zwar nicht das, was man einen guten Christen nennt, aber ich war immer davon überzeugt das ein Gott existiert und in dieser Überzeugung schauderten mich Eugens Machenschaften um so mehr. Er vergewisserte mir zwar, dass es sich nicht um den Leibhaftigen handelte, ganz so als könne er nun meine Gedanken lesen, und er versicherte mir das, dass, was er anbetete, wesentlich älter war als der Teufel. Aber ich war mir sicher, dass es sich hier um die Ausgeburt eines höllischen Wesens handelte.

Dann eines Tages, ich glaube, es war ein Nachmittag, nahm mich Eugen mit nach oben. Es regnete in Strömen und immer wieder flackerten die Lichter von grellen Blitzen durch die Fenster im Labor. Eugen sagte, dass er mir es nun endlich zeigen wollte, und zwängte mich in eine kleine Ausbuchtung der Maschine. Ich schrie vor Verzweiflung aber es half nicht. Der böse Doktor warf die Maschine an und augenblicklich begannen Lichter, vor meinem Augen zu tanzen. Dann fing ich an diese Bilder zu sehen, es waren Bilder von gar seltsamen Kreaturen. Rattenfische, Walpfrede, Moosigel, Pilzbären, Fliegenmenschen und vieles mehr, sie waren grotesk verzerrt, wie falsch zusammengewachsen und dann waren, da auch noch Kreaturen die nichts glichen, was ich kannte.

Es waren Formen und Wesen aus einer fremden Welt. In den wirr flatternden Bilden, in meinem Geist sah ich auch das Rattenmassaker. Übermäßig viele Ratten, die sich gegenseitig verletzten und zerfleischten, doch so schnell wie sie sich massakrierten warfen sie neue Kinder. Gefangen in einem Zyklus von ewigem Werden und Vergehen. Eugen versicherte mir das dies der Planet, der Ratten sei und er sei noch in dem uns bekannten Universum gelegen. Dann wurden die Bilder wilder, bis ich keinen Sinn mehr darin erkennen konnte, aber sie alle brannten sich in meinen Geist ein. Ich weiß, nicht wie lange ich in jener Maschine verbrachte, Tage, Wochen, Monate.

Eugen fütterte mich ab und an. Doch dann, als endlich alles vorbei war, durfte ich wieder in meinen Keller. Den ich in gewisser Art und Weise lieb gewonnen hatte. Das Wissen sickerte langsam und träge in meinen Verstand und veränderte nach und nach meine Persönlichkeit. Ich wurde mir nach und nach gewahr, welche Entsetzlichkeiten in der Tiefe des Raums lauerten. So wusste ich zum Beispiel von dem riesigen spinnenartigen Wesen, das in den tiefen Ozeanen des Jupiter Mondes Europa lauerte.

Die Netze des Wahnsinns, die von dem großen Weber, zwischen den Sonnen gesponnen wurden. Dem Fischwesen Latet, dass die einzige Lebensform auf seinem Planeten ist und welches ein solch enorme Ausdehnung besitzt, dass es die Gezeiten verursacht. Von dem dunklen Gott Mood, der sich in einem Anfall von Wahnsinn die Zeit ausgedacht hatte. Die ewigen Bäume von Latur die höheren Wesen als Nahrung dienen. Die grauenhafte Galaxie Paarn die weit hinter dem uns bekannten Universum liegt. Und natürlich die allgegenwärtige Unendlichkeit, deren chaotische Strukturen den gesamten Raum durchmessen.

Ich verstand das hinter jeder bösen und alten Kreatur eine noch bösere und ältere existiert bis, ja bis in die Ewigkeit. Dieses Wissen marterte mich und stellte meinen Glauben an einen Schöpfer infrage. Es schien, als sei das Universum eine wilde Anordnung von Zufällen, indem jederzeit an jedem Ort, alles Vorstellbare aber auch alles Unvorstellbare, geschehen konnte. Es war, als wären Güte und menschliche Tugenden nur ein Versehen in einem wilden, dunklen, kalten und unvorstellbar großen Universum.

Eugen hatte etwas Dunkles durch die Singularität mitgebracht, etwas das älter war als die Zeit und nicht in diesen Teil des Raumes gehörte. Doch jetzt war es da und endlich verstand ich den Sinn der Maschine, ihr Zweck war es, einem das Mysterium der Unendlichkeit näherzubringen doch für dieses Privileg forderte der höllische Apparat einen Preis, Fleisch. Also beschafften wir welches.

Zuerst gingen wir zum Fleischer, aber das war Eugen bald nicht mehr genug, denn sein Wissensdurst war unersättlich und Fleisch war teuer. Dann nahmen wir auch Hunde, Streuner hinzu, um die kranke Maschine zu füttern. Doch auch dass reichte bald nicht mehr. Und wie Eugen es so vortrefflich beschrieb, es läuft kiloweise Fleisch in den Straßen und Menschen waren nicht besonders schnell und ohne Waffe auch nicht sehr wehrhaft. Die übermenschliche Stärke von Eugen, dass weiß ich heute, rührt alleine von seinem übermenschlichem Wissen her.

Auch ich wurde stärker dar ich meinen Geist und meinen Körper zunehmend besser kontrollieren konnte. Auch ich trat dem neuen Kult bei und wir feierten Feste aus Fleisch und Blut. Gleichwohl wussten ich und Eugen das uns dieses Wesen niemals erhören würde, zu unbedeutend zu nichtssagend war unsere Existenz im Angesicht der Unendlichkeit. Doch das hielten wir vor unseren Jüngern geheim. Sie waren nützlich die anderen Okkultisten und sie halfen uns dabei, mehr Nahrung für die Maschine zu beschaffen.

Es war leicht die Behörden von uns fernzuhalten, wenn man die dunkelsten Geheimnisse eines jeden einzelnen Menschen kennt. Eugen wurde später leider von einem Blitz erschlagen, aber ich vergewissere euch, es war nicht Gott. Oder zumindest nicht der Gott der allen sucht heil zu bringen. Ich verfütterte Eugen an die Maschine und sie spuckte noch groteskeres noch tieferes Wissen aus, Eugen war ein vorzüglicher Mensch gewesen. Und ich glaube, ich stehe kurz vor dem Durchbruch zum ewigen Leben. Mal sehen was mir Jungfrauen offenbaren können, denn dass habe ich noch nie probiert.

Ich habe noch nie einen meiner Jünger ins Labor gelassen, zu gefährlich wäre ein anderer Mensch mit solchem Wissen für mich und ich habe angefangen, zu dem Spinnenwesen Arnar zu beten das auf Europa lebt. Denn sollte es sich einmal entscheiden unsere Welt zu besuchen, täten alle gut daran ihr nicht in die Quere zu kommen. Ich weiß, dass es meine Gedanken und Gebete spürt und ich bin guter Hoffnung, dass es mich verschonen wird, wenn es kommt, ja, mir vielleicht sogar den ein oder anderen Wunsch erfüllt.

Meinen Jüngern habe ich nie von Arnar erzählt dabei sieht man sogar ihre Spuren, wenn sie das Eis an der Oberfläche bricht. Die Linien die sich dabei an der Oberfläche bilden sind mehr als nur Linien, es sind Zeichen, die uns den Weg in die Zukunft weisen, den Weg in eine neue Welt. In eine Welt, in der Spinnen nicht mehr zerquetscht, sondern gefürchtet werden. Gleichwohl weiß ich das Arnar nicht das einzige Wesen von unvorstellbarer Macht ist.

Aber ich habe vorgesorgt, ich werde meinen Gott wechseln wie meine Kleidung, sollte es jemals so weit kommen, dass ich mich mit einer anderen Macht konfrontiert sehe. Im Moment bin ich glücklich, ich habe einen Keller voll von Fleisch um meinen Wissensdurst zu stillen und eine Schar unterwürfigster Jünger. Ich muss ihnen nur zeigen, wie ich eine gefüllte Aludose zerquetsche oder eine Stange aus Eisen verbiege, schon hängen sie an meinen Worten und gehorchen mir.

Ich verbringe nun vier bis fünf Stunden täglich in der Maschine und ich habe gelernt die Albträume aus Blut, Fleisch und Knochen, die sie mir aus anderen Welten zeigt, in gewisser Weise zu genießen. Ich kann das Handgelenk eines Menschen mit meiner linken Hand zerbrechen und diese Macht macht mich in gewisser Weise ekstatisch, darum brauche ich immer noch mehr. Und vielleicht ja vielleicht werde ich irgendwann, wenn ich genug Wissen gesammelt habe und genug Fleisch durch die Maschine gedreht habe zu einem Gott.

Wie Arnar oder der vielgesichtige Ulm. Vielleicht ja vielleicht werde ich sogar eines Tages zu einer mystischen Wesenheit befreit von allen sterblichen Zwängen, zeitlos und ewig wie der Raum selbst. Doch es sollte alles ganz anders kommen. Nach zwei weiteren Sitzungen in der Maschine erkannte Wilbolt, was Arnar entsetzliches mit ihm vorhatte. Und weil er doch nur ein Mensch war, mit Ängsten und Sorgen und Nöten wandte er sich an andere Menschen. Freilich glaubte man seine wilden Geschichten nicht, weder die mit dem Laser noch die über Arnar und die anderen Götter.

Man fand seinen „Fleischvortat“ und ein entsetzliches Gebilde aus Metall, Zahnrädern und Organen. Man beschloss die Maschine und ihre Einzelteile zu verbrennen und befreite die Menschen im Keller und lieferte Wilbolt in eine Psychiatrie ein. Das Einzige, was rätselhaft war, war seine übermenschliche Stärke, ja er war in der Tat so stark, dass man ihn mit Stahl anstatt mit Gummiseilen fixieren musste. Dort in der Psychiatrie schreit er heute noch Dinge über die mystische Unendlichkeit in die weitgehend leeren Räume der Psychiatrie hinein.

Ulysses Kedl

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