Deutsches Creepypasta Wiki
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Sanft gleite ich in einen dösigen Zustand, ich blinzele einige Male und die Umgebung nimmt schemenhafte Konturen an. Kurz darauf erstrahlt warmes Licht, das allmählich heller wird, und ich erkenne den Raum als mein Schlafzimmer. Ich schiebe die Bettdecke weg und strecke mich ausgiebig. Danach schalte ich den Wecker auf dem Nachttisch ab. Die von mir einprogrammierte Melodie verstummt. Die Wellenlänge des Lichts verändert sich erneut, nimmt ein kaltes Spektrum an und erhellt den Raum zur Gänze. Einen Moment lang bleibe ich noch liegen, gebe meinen Sinnen die Zeit, um zu erwachen.

Nachdem ich unter der Dusche gewesen bin, ziehe ich mir frische Kleidung an und begebe mich dann in die Küche. Bereite mir das Frühstück zu.

Müsli mit etwas Obst und dazu Toast mit Marmelade.

Anfänglich fand ich diese glibberige Masse in verschiedenen Geschmacksrichtungen sehr komisch, seitdem ich aber über meinen Schatten gesprungen bin, finde ich sie sehr lecker. Ein Mitbringsel eines guten Freundes, der schon auf diesem merkwürdigen Planeten gewesen ist. Ich genieße den letzten Bissen, reinige dann Teller und Schüssel, lösche das Licht in meiner Wohnung und trete hinaus auf den Korridor. Dicke Glasscheiben erlauben mir den Blick auf die unendlichen Weiten.

Ein atemberaubender Anblick, wie es in billigen Science-Fiction-Filmen immer gezeigt wird, bleibt mir verwehrt.

Nur grenzenlose Schwärze erstreckt sich dort draußen. Zu meiner Linken reiht sich eine Tür nach der anderen in die fast ebenso unendliche Wand ein, bis der Gang eine Biegung beschreibt, die zu einem großen Raum führt. Zischend schließt sich die Tür hinter mir und wird eins mit der Wand. Ich ziehe mir einen weißen Overall über.

„Meinst du, dass wir das heute hinbekommen?“ Davu steht hinter mir, zieht sich auch um.

Er klingt aufgeregt, ja geradezu euphorisch, natürlich, er kann es kaum erwarten, wenn es nach ihm ginge, würde eine so große Nummer jeden Tag stattfinden. Ich lächle, erwidere aber: „Wenn du das so toll findest, warum bist du dann nicht da unten und kämpfst?“

Aber ich kenne ihn nur zu gut, er würde sich nie die Finger schmutzig machen. Schon gar nicht an der Frontlinie, lieber aus der Ferne.

Typisch.

Er war schon immer ein Hitzkopf. Groß und laut muss es für ihn sein. Ich bin aber weniger erpicht darauf, das ganze System noch mal zu überprüfen.

„Ich hasse Weltraumspaziergänge“, denke ich. Für ihn war das ein kleineres Übel, das er gerne über sich ergehen ließ. Hauptsache, irgendwas wird gesprengt.

Er weicht mir aus und bleibt mir eine Antwort schuldig, stattdessen begibt er sich zur anderen Wand. Dort befinden sich die Anzüge für den Außeneinsatz.

„Hättest du gestern keinen Fehler gemacht, wäre das System nicht abgestürzt. Dann wären wir heute schon viel weiter“, schiebe ich wütend hinterher.

„Jetzt mach mal halblang, die Schaltkreise sind antiquiert und die Technik an sich stammt ja fast noch aus der Gründungszeit.“

In diesem Punkt kann ich ihm nicht widersprechen. Er hat vollkommen recht. Schuld daran waren drastische Sparmaßnahmen. Aber wir haben ja keine Ahnung, was wissen wir schon.

„Was diese Wilden da unten verwenden, ist ja fast schon fortschrittlicher.“ Nun klingt er wütend, funkelt mich an. „Sonst müssten wir das hier nicht machen.“

Wieder fehlen mir die Gegenargumente. Der Laden ist marode, überall fehlt es an Ersatzteilen, manchmal macht sogar der Antrieb schlapp und wir können die Position nicht halten. Und wer muss den Mist beheben? Mechaniker, die schon lange an ihre Grenzen gehen.

„Ist ja gut, du hast ja recht“, hebe ich die Arme zur Abwehr, während Davu in den Anzug steigt, der sich dann selbstständig schließt.

„Dann wollen wir mal“, seufzt er. Ich nicke und tue es ihm gleich, folge ihm durch einen Korridor, bis wir die Luftschleuse erreicht haben.

„Ist der optische Resonator von Schicht 3 justiert worden?“, frage ich. Die Luft wird entzogen und wir stellen auf autonome Luftzufuhr um, aktivieren das Funksystem. Erst vernehme ich nur statisches Rauschen, dazwischen seine Stimme: „… wir Glück haben… Staub bestehend aus scharfkantigen Splittern… Anzüge werden perforiert.“

„Erwarte immer das Schlimmste und du wirst du nie überrascht“, fügt er breit grinsend hinzu.

„Dein Optimismus ist entzückend“, sage ich trocken, betätige den Schalter und das äußere Schleusentor öffnet sich, begleitet von einem Alarmton, der in meinem Helm ertönt. Wir befinden uns im Kosmos und schweben hinaus. Ich greife zum Karabiner, der mit einem Stahlseil an meinem Anzug befestigt ist und sichere mich damit.

„Jetzt weiß ich wieder, warum ich das hier so hasse.“ Schwindel, alles dreht sich. Ich schließe die Augen und warte, bis es besser geworden ist. Davu folgt mir mit Sicherheitsabstand.

„Es könnte noch schlimmer sein. Stell dir vor, wir müssten in einen geborstenen Frachter, dessen Reaktor in Mitleidenschaft gezogen wurde.“

Aus seiner Aussage schließe ich, dass er die Nachricht noch nicht gelesen hat, die wir gestern bekommen haben.

„Rate mal, wo unser nächster Einsatz stattfindet, wir wurden abgezogen. Ich dachte, du wusstest es.“

„Na großartig“ knurrt er. Die gegenwärtige Gesetzeslage ließ nun mal keine Alternative, obwohl man den Müll einfach im All verklappen könnte. Die Vorstellung dreht mir den Magen um. Schritt für Schritt nähern wir uns dem Wartungstunnel. Ich kann die Luke schon erahnen. Aber ich halte kurz inne und sehe auf die blaue Kugel unter mir, betrachte die Landmasse, die Ozeane, den Orkan, die vereinzelten Wolkengebiete. Von dem Krieg da unten ist von hier oben nichts zu bemerken.

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Er soll die Hölle sein, aber wenn ich den Berichten glauben kann, werden wir diese merkwürdigen Wesen, die sich Menschen nennen, bald ausgerottet haben.

Autor: Meike Sommer

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