Deutsches Creepypasta Wiki
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Ich blicke über die Landschaft. Am Horizont beginnt es allmählich zu glühen, die ersten Sonnenstrahlen kriechen über die Äcker und Felder, die sich ganz in der Nähe befinden. Als Kind habe ich Mutter und Vater dabei geholfen, diese zu bestellen. Ein Hauch von Wehmut sickert in mein Herz, wie Tinte, die sich in einem Glas Wasser verteilt, blaue Schatten wabern hindurch, die an einen weichen Nebel erinnern. Mutter und Vater sind nicht mehr, viel zu früh wurden sie mir entrissen und wurden dann in einem Grab verscharrt.
Nun bin ich alleine. Auf mich gestellt.
Eine leichte Brise fährt mir unter die Kleidung und berührt meine Haut, dennoch ist der beginnende Tag nicht unangenehm, es ist kühl, aber nicht so kühl, dass es ungemütlich wäre. Ganz im Gegenteil, ich atme tief ein und lasse die frische Luft, die nach nächtlicher Wiese duftet, durch meine Nase strömen. Das Gezwitscher der Vögel dringt melodisch in meine Ohren und ich lausche ihnen gerne, sie trällern fröhlich um die Wette.
Die Menschenmenge betrachtet mich andächtig dabei.
Dennoch sind ihre Gesichter von unendlicher Furcht erfüllt, manche weinen lautlos. Die meisten kenne ich persönlich, sie sind brav und gottesfürchtig. Sie beten dafür, dass der allmächtige Herr mir vergibt, sodass ich nicht in die Hölle komme, dass meine Seele endlich ruhe finden wird. Der Geistliche in seinem weiten Gewand klammert sich an den Rosenkranz in seinen Händen und murmelt Gebete, die ich noch aus dem Gottesdienst kenne.
Jeden Sonntag kamen wir zusammen, um unsere Liebe zum Herrn zu bekunden. Ich blicke eindringlich in die Menge und beginne zu lächeln, verziehe meine Gesichtszüge zu einem hämischen Grinsen. Von manchen der Anwesenden kann ich das Grauen, das ihre Herzen erfüllt, förmlich schmecken. Sie verteilt sich lieblich in meinem Mund, bis mir der Speichel die Mundwinkel hinunterläuft. Jedoch ist diese nicht weitaus so befriedigend wie die Panik, die ihre Kinder ausgestrahlt hatten, sie war so rein und unschuldig gewesen, dass mir noch in diesem Moment wohlige Schauer durch meinen Körper strömen. Sie glauben wirklich, dass sie mich vernichten können.
Diese Narren.
Der Henker nähert sich mir, trägt eine Fackel in der Hand. Er wirft sie ohne zu zögern in die Holzscheite zu meinen Füßen, die sofort Feuer fangen. Die Flammen züngeln durch die Fasern des trockenen Holzes, das zu knistern beginnt. Ich spüre, wie die Wärme aufsteigt, die das Feuer mit jeder Sekunde abgibt, es wird wärmer. Ich beginne zu kichern, bin amüsiert, nichts kann mich vernichten, ich bin ewig und unendlich. Sie wissen nicht, dass Feuer nicht reinigt, es schwärzt. Doch sind sie unerschütterlich davon überzeugt, dass ich verzehrt werde, ich kichere noch lauter. Ich bin schon geschwärzt, finster wie eine mondlose Nacht, die über eine unschuldige Seele herfällt. Die Flammen haben nun meine Knie erreicht, und ich spüre nichts weiter als diese angenehme Wärme, jedoch sind meine Füße schon zur Unkenntlichkeit verkohlt. In einer verzerrten Sphäre gefangen dringen die Schreie unglaublicher Pein in mich ein, ich ergötze mich an ihnen und beobachte von innen, wie diese junge Frau entsetzliche Schmerzen ertragen muss. Ich kichere noch lauter, verfalle geradezu in Ekstase.
Leid, unerträgliches Leid. Ich suhle mich darin.
Es riecht nach verbrannten Fleisch, wie schön, es gibt nichts Schöneres als den Geruch von verbrannten Fleisch am Morgen. Irgendwann verwischt meine Wahrnehmung in dumpfes Rauschen, die Verbindung droht zu erlöschen, die Schmerzen treiben sie in die Ohnmacht, doch halte ich dagegen und sorge dafür, dass sie jeden Moment bewusst miterlebt. Ihre Schreie verwandeln sich in atemloses Gekreische, dass die Menge sichtlich erschüttert, die Gesichter, die von Grausamkeit gezeichnet sind, erfüllen mich mit Stolz. Die Frau, in der ich bin, hält dennoch nicht mehr lange durch, obwohl ich ihren Verstand dazu zwinge, bei Bewusstsein zu bleiben, entscheide ich, die Verbindung zu kappen, und entfliehe durch Zeit und Raum. Die Bauerntochter war nur die Vorspeise, ich ertränke mein Dasein in Bösartigkeit und lechze nach mehr. Unglücklicherweise kann ich mir die Opfer nicht aussuchen, ich erwache irgendwann in einem neuen Körper, aber das macht ja den Reiz aus, wie ich finde. Ich blicke auf ein nacktes Mädchen herab, die Haare hängen verfilzt von ihrem Kopf. Das Gesicht ist schmutzig, sie zittert am ganzen Körper. Wenn sie ausatmet, verlassen weiße Schwaden ihren Mund, die sich in der Luft rasch auflösen. Sie friert und hat ihre dünnen Arme um ihren abgemagerten Körper geschlungen.
Verängstigt blickt sie zu mir hinauf.
Ich wende mich von ihr ab und blicke zu einem Tor mit dem Schriftzug: ARBEIT MACHT FREI.
Es ist ein schöner Morgen.

Autor: Meike Sommer

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