Deutsches Creepypasta Wiki
(Kategorien hinzufügen)
(Kategorien hinzufügen)
 
Zeile 558: Zeile 558:
 
[[Kategorie:Kreaturen]]
 
[[Kategorie:Kreaturen]]
 
[[Kategorie:Traum]]
 
[[Kategorie:Traum]]
  +
[[Kategorie:Ritual]]

Aktuelle Version vom 7. Mai 2020, 17:44 Uhr

Nimm eine angenehme Position ein. Entweder auf einem Stuhl sitzend, die Hände bequem auf den Oberschenkeln und die Füße stabil auf dem Boden oder im Liegen, die Arme locker neben dem Körper und die Beine leicht auseinanderfallend.

Wenn du diese Position eingenommen hast schließe deine Augen und konzentriere dich einige Momente auf deinen Atem. Beobachte, wie die Luft durch deine Nase und in deine Lunge bis tief in den Bauch strömt. Lasse vor dem Ausatmen eine kurze Pause und beobachte das Gefühl der Atemfülle.

Atme dann ruhig und vollständig durch den Mund aus. Beobachte auch hier das Gefühl, wie sich der Brustkorb senkt und die Bauchdecke herabsinkt.

Beobachte nun wie dein Körper ganz von selbst ruhig ein- und ausatmet. Denke beim Einatmen „Lass“ und beim Ausatmen „Los“.

Spüre noch einmal bewusst die Unterlage unter dir an den Stellen, an denen dein Körper den Boden oder den Stuhl berührt und dein Gewicht abgibt. Spüre, dass du deinen Körper nicht selbst tragen musst und gib dich noch mehr der Entspannung hin.

Bereite dich nun darauf vor, in eine andere Welt abzutauchen. Wenn deine Gedanken zwischendrin abschweifen ist das kein Problem. Registriere es und kehre wieder zurück.


Du stehst auf einem hell erleuchteten Rasen in der Mitte eines großen, weitläufigen Schlossparks. Hinter dir erhebt sich eine Statue, deren Schatten sich neben dir erstreckt. Wenn du dich umdrehst, kannst du erkennen, dass es eine dir vertraute Person ist, jedoch trägt sie Schild und Schwert, ist wie für eine Schlacht gerüstet. Auf dem hellen Marmor ist bereits dunkles Moos zu erkennen. Wenn du magst, kannst du es anfassen. Wie fühlt es sich an? Weich, kühl, vielleicht ein wenig feucht vom letzten Regen oder den Resten des Morgentaus? Oder ist es getrocknet von der warmen Sonne und dem lauen Wind? Vielleicht kannst du auch einen erdigen Duft wahrnehmen, der aus der Umgebung aufsteigt.

Du drehst dich wieder um und lässt die Statue hinter dir. Vor dir erstreckt sich die Rasenfläche. Das Gras ist hoch und wurde scheinbar lange nicht geschnitten. Hinter dem Rasen erkennst du einen Rosengarten; auch dieser hat lange keinen Gärtner mehr gesehen. Du gehst darauf zu und das Gras unter dir dämpft deine Schritte.

Über dem ganzen Schlosspark liegt eine Stille, die dich einzuhüllen scheint. Du lauscht, aber kannst keine Vögel hören. Auch der Wind, den du auf deinem Gesicht und deinen Armen spürst, ist vollkommen lautlos. Sanft spielt er mit deinem Haar, streicht dir über die bloße Haut und triebt dich in Richtung der Rosen.

Als du dich dem Rosengarten näherst, kannst du bereits den Duft der Blumen wahrnehmen. Sind es nur Rosen? Oder kannst du auch etwas anderes riechen, vielleicht andere Blumen, den Rasen oder die Erde? Atme den Duft einige Male tief ein, während du zwischen den hohen weißen Säulen, die den Eingang des wilden Gartens säumen, stehen bleibst und die Natur auf dich wirken lässt. Wenn du möchtest kannst du dir eine der Rosen näher ansehen, die dir am nächsten aus dem ursprünglich angelegten kunstvollen Muster des Gartens ausgebrochen die Säulen umrangt. Welche Farbe hat sie? Sind die Blüten von einem satten, dunklen Rot, das beinahe die Farbe des Blutes hat, welche ihre Dornen aus deiner Hand hervollquellen lassen, wenn du nicht Acht gibst? Oder ist sie vielleicht von einem täuschenden, unschuldigen Weiß? Lass ihre samtigen Blütenblätter nun hinter dir.

Vor dir eröffnet sich ein schmaler Pfad, von beiden Seiten durch die wilde Dornenhecke gesäumt. Der Kiesboden knirscht nun unter deinen Füßen, sonst ist kein Geräusch zu hören. Auch den sanften Wind lässt du außerhalb dieses Labyrinths zurück. Der Rosenduft ist nun omnipräsent, gemischt mit dem Geruch nach der satten Erde, die die Pflanzen nähert.

Folge dem Pfad durch die Dornenhecke und nimm deine Umgebung in dich auf. Kannst du nun vielleicht doch etwas hören? Vielleicht hörst du neben deinen Schritten auf dem Kiesweg das Flüstern der Pflanzen, die dein Eindringen in ihre Mitte bemerkt haben. Vielleicht hörst du das Rascheln der Blätter, die sich bis weit über deinen Kopf erstrecken. Vielleicht hörst du aber auch in der Ferne ein leises Wispern, dass beinahe menschlich klingt. Ist das deine bekannte Person, die in Marmor gebannt auf der Rasenmitte steht? Du gehst weiter voran. Dreh dich nicht um, sondern folge weiter dem Pfad.

...du hast dich umgedreht, oder? Nun, dann siehst du leider, wie sich die Hecke hinter dir schließt. Folge weiter dem Pfad.

Die Rosenranken formen einen Spalier über dem Weg, so dass kaum noch Sonnenlicht bei dir ankommt. Wie sehen die Blüten jetzt, im Dämmerlicht des Rosendickichs aus? Hat sich die Farbe von einem satten, warmen Rot zur Farbe getrockneten Rostrot gewandelt? Oder ist das Weiß vielleicht zu einem aschfahlen Grau gewandelt? Vielleicht hat sich deine Nase nun auch so sehr an den satten Rosenduft gewöhnt, dass ein anderer Geruch zu dir durchdringt. Was ist es? Atme ein paar Mal tief durch. Ist das eine weitere Pflanze, die du noch nicht erkennst, deren süßlicher Geruch dich aber erreicht, je weiter du durch dieses Dickicht voranschreitest?

Und hat sich das Wispern der Pflanzen um dich verändert? Die Pflanzen wissen, dass einer deren unter ihnen ist, von denen sie lange keinen Besuch mehr hatten. Vielleicht sind es auch die gedämpften Rufe der Person, deiner bekannten Person, die du draußen zurückgelassen hast. Will sie dich zurückrufen, wieder hinaus aus der Hecke? Oder will sie dich antreiben, weiterzugehen?

Lass dich davon nicht ablenken. Folge einfach weiter dem Kiespfad, auch wenn er nun im immer dunkler werdenden Labyrinth zunehmend schwerer zu erkennen ist.

Sieh dich dennoch in deiner Umgebung um. Vielleicht findest du Zeichen, dass du nicht der erste Mensch bist, der sich hier seit Jahrhunderten herumtreibt und die Ruhe des Schlossparks zu stören wagt.

Vielleicht erkennst du Reste von getrockneten Blut auf den Dornen der Hecke. Vielleicht ist dort noch eine Feder, die sich von einem Hut oder gar Helm eines vorherigen Eindringlings gelöst hat. Hebe es ruhig auf, wenn du dir die Zeit dafür nehmen willst, und versuche dir vorzustellen, dass du vielleicht doch nicht allein bist.

Treiben sich vielleicht gerade jetzt andere Lebewesen in diesem Irrgarten herum? Vielleicht sogar andere Menschen?

Lausche in die Stille, die nur von leisen Flüstern der Rosenhecke erfüllt ist. Vielleicht hörst du deinen Atem. Sie tun es auf jeden Fall.

Gehe weiter, während sich die Hecke hinter dir schließt. Denke nicht darüber nach, wie – oder ob - du hier wieder rauskommen sollst. Denke nicht daran, dass du gefangen bist und das Tageslicht schneller schwindet, als es sollte. Denke nicht daran, was du tun sollst, wenn es Nacht wird und du ihnen ausgeliefert bist. Frage dich nicht, wer sie eigentlich sind.

Vor dir gabelt sich der Weg. Rechts von dir wird das Gestrüpp beinahe undurchdringlich dicht, du meinst in den Tiefen des Meeres aus Ranken, Dornen und rostroten Rosenblüten, deren schwerer süßlicher Geruch deine Nase reizt einige Fetzen blauen Stoffes auszumachen. Dort könntest du langgehen, aber der Weg zu deiner linken ist wesentlich einladender. Dieser scheint lichter zu werden und auf etwas anderes als deinen Tod im Rankenmeer, in dem von allen Seiten Dornen nach dir greifen, deine Haut aufschlitzen und nach deinem Blut dürsten hinzuführen.

Du gehst nach links.

Während das Rascheln zunimmt und seltsam angespannter klingt als vorher, wird der süßliche Verwesungsgeruch weniger. Es war eine gute Entscheidung, nach links zu gehen.

Zumindest für dich. Die Hecke hätte sich sicherlich über mehr Nahrung gefreut.

Der Weg wird dennoch schmaler. Immer näher kommen die Ranken, die sich langsam nach dir ausstrecken und mit spitzen Dornen versuchen, deine Kleidung zu durchdringen und über deine Haut zu streifen, sie zu durchdringen.

Schließlich ist nur noch ein schmaler Spalt übrig, nicht hoch genug, um aufrecht hindurch zu gehen. Du musst über den kühlen, nassen Kies kriechen.

Inzwischen ist es so dunkel, dass du nicht erkennst ob die Kiesel von dunklerem Gestein oder einfach mit Blut getränkt sind. Du riechst neben der Rosenblüten und der dunklen, feuchten Erde auch den bekannten Eisengeruch, weißt aber nicht, ob es von den Kratzern auf deinen Wangen oder vom Kieselweg ausgeht.

Mache dir keine Gedanken darüber, dass die Hecke sich vielleicht um dich schließt und nicht wieder frei lässt, während du gerade an der schmalsten Stelle bist. Ignoriere, dass sich die Dornen in deine Kleider graben und ignoriere das Reißen des Stoffes, während du auf dem Bauch über den kalten Kieselpfad kriechst.

Spüre den kalten, feuchten, unebenen Untergrund an Bauch, Brust, an deinen Unterarmen und an deinen Oberschenkeln.

Fühle außerdem die Ranken, die sich wie eine Fleischfressende Pflanze um die Fliege in ihrer Falle um dich schließen wollen. Spürst du schon, wie sie deine Haut durchstoßen, feine, filigrane Ranken in deine Adern gleiten lassen und sich mit dir verweben? Spürst du das Pulsieren der Pflanzen in deinen eignen Adern und Venen, spürst du, wie die Dornen beginnen auch in deinem Körper zu sprießen und über deine Knochen zu kratzen?

Spürst du außerdem, dass du nicht allein bist? Wie dieses Gefühl, dass jemand dich beobachtet, auch wenn du noch niemanden entdecken konntest?

Denke nicht daran, dass dir niemand helfen kann, wenn du nun feststeckst. Denke nicht daran, dass niemand weiß, dass du hier bist. Denke auch nicht daran, wie du langsam verdurstest, immer schwächer wirst, keine Kraft mehr für die aufsteigende Panik hast und wie dich die Hecke schließlich ihr neuestes Opfer einverleibt – wenn die Ranken dich so lange am Leben lassen. Aber noch lebst du. Und wenn du es aus dieser misslichen Lage heraus geschafft hast, wartet vor dir eine kleine Lichtung. Du hast es in die Mitte des Rosengartens geschafft, bist zum Herz dieses seltsamen Wesens vorgedrungen. Vielleicht kannst du nun seine allgegenwärtige Präsenz spüren, wie es dich von allen Seiten umgibt und über jeden deiner Schritte Bescheid weiß, wie es jeden deiner Atemzüge wahrnimmt.

Sich dich im Dämmerlicht um. Auch hier ist es dunkler, als die Tageszeit zu deiner Ankunft im Schlosspark eigentlich vermuten lassen sollte.

Vor dir wird der Weg breiter, die Kiesel strahlen wieder in hellem Grau vor dir und weisen dir den Weg hin zu den Stufen, die zum prunkvollen Tor eines verlassenen Schlosses hinaufführen. Sie dir das Gemäuer aus der Distanz vom Rand der kleinen Lichtung genauer an. Siehst du, wie prächtig es einst gewesen sein muss? Sieh, wie sich die Natur in jede Ritze des edlen Steins gezwängt hat, wie die Fenster dich wie tote, leere Augen anstarren. Erahnst du noch die Schatten der Menschen, die einst an diesen Fenstern gestanden haben und hinaus in den Rosengarten geblickt haben? Beobachten sie dich vielleicht auch jetzt, gefangen in ihrem ewigen Gefängnis der Überreste ihres Schlosses, bewacht durch die Hecke? Oder hält die Hecke sie hier in Gewahrsam, um die Welt vor ihnen zu schützen? Gib dich nicht zu sehr diesen Fantasien hin, sondern geh weiter. Du spürst bereits eine Ranke um deine Knöchel streifen. Hat sie das herablaufende Blut aus deinen feinen Kratzern an deinen Beinen gewittert?

Der Wegesrand ist von Blumen gesäumt. Erkennst du, welche es sind? Nimm ihren Duft in dich auf und ignoriere dabei wieder den süßlichen Rosenduft der Verwesung.

Auch hier spürst du, dass du nicht allein bist. Dennoch kannst du noch immer nichts hören. Selbst das gespannte Flüstern der Hecke hast du hinter dir gelassen. Die Stille ist hier beinahe körperlich spürbar, sie hüllt dich ein und lässt dich leiser Atmen, wie, um dich zu verstecken. Was jedoch nichts mehr bringt, denn es weiß bereits alles an diesem Ort von deiner Anwesenheit und beobachtet jeden deiner Schritte.

Das Schloss vor dir erstreckt sich höher als die Dornenhecke, das graue Gemäuer ist beinahe bis auf halbe Höhe vollkommen von den Pflanzen eingehüllt. Fast sieht es aus, als wenn die Hecke sich auch das Gestein langsam einverleiben würde, in einem langsamen Kampf auf Leben und Tod, der sich über eine scheinbar endlos lange Zeit erstreckt.

Ignoriere die Angst, die sich in dir breit macht; es gibt nur noch einen Weg für dich, und der geht vorwärts. Kommt die Hecke dir gerade noch näher? Spürt sie deinen Herzschlag, hat sie dein Blut gerochen und dürstet nun nach mehr? Gehe die breite Steintreppe hinauf, hoch zum Eingang des Schlosses.

Die schwere, dunkle Holztür mit den filigranen, goldenen Ornamenten und dem goldenen Türklopfer hängt nur noch schief in den Angeln vor dir. Du riechst, dass auch dem Holz bereits durch die Zeit zugesetzt wurde. Feine Rosenranken haben sich auch um sie gezüngelt, wie winzige Schlangen kriechen sie langsam näher auf jede Öffnung des Schlosses zu.

Erschrick nicht vor dem Knarzen, dass die jahrhundertealten Scharniere kreischend von sich geben. Achte nicht auf die Hecke, die dadurch aufgeschreckt lauter und wütender zu Wispern scheint.

Überwinde deine Übelkeit, wenn dich der modrig-faule Geruch des Inneren des Schlosses erreicht. Du kannst nur noch in eine Richtung: Vorwärts.

Dreh dich ruhig um. Dann siehst du, dass die Ranken sich bereits bis zum Fuß der Treppe an dich heran geschlängelt haben. Sie wollen nach dir greifen, dich zurück ins Dickicht ziehen.

Du gehst hinein ins Halbdunkel des Schlosses.

Unter deinen Füßen ist nun heller Stein, jeder deiner Schritte hallt durch die Totenstille des Schlosses, muss auch in den letzten Winkel vordringen.

Lausche in die riesige Halle, in der du nun vollkommen ungeschützt stehst. Ist dort ein leises Ticken, wie von einer alten Uhr? Oder gar ein Pochen aus den Untiefen des Gemäuers, wie der Herzschlag einer riesigen, uralten Kreatur?

An das leise Wispern der Pflanzen draußen hattest du dich gewöhnt, nun ist da nur noch dieser unbestimmte Herzschlag in den Wänden in der sonst umfassenden Stille.

Spüre, dass die Präsenz noch immer da ist. Fühle, wie sich die Temperatur verändert hat – draußen war es lau, vielleicht sogar warm. Nun fröstelst du, die kalte Feuchtigkeit des uralten Schlosses dringt durch deine schmutzige, zerrissene Kleidung, an deine bloße Haut. Spürst du eine leichte Gänsehaut deinen Nacken hinauf und deine Arme hinabklettern? Stellen sich die Feinen Härchen auf?

Langsam setzt du einen Schritt vor den anderen. Etwas zieht dich an, du spürst einen unwiderstehlichen Sog.

Begleitet vom tiefen, leisen Dröhnen aus der Tiefe und dem viel zu lauten Hallen deiner Schritte gehst du auf die nächste Treppe zu.

Jede Stufe führt dich weiter hinauf, erst in einen alten, staubigen Flur. Der Boden ist mit ehemals rotem, nun ausgeblichenen und verstaubten rotbraunen Teppich ausgelegt. Die Jahrhunderte haben auch an ihm deutliche Spuren hinterlassen. Zwar hallt es nun weniger, doch wirbelt jedes Fußaufsetzen Staub um deine Beine und kitzelt deine Nase. Du unterdrückst vielleicht ein Niesen, denn gehört werden willst du auf keinen Fall.

Ignoriere die Angst, die in deiner Magengegend aufsteigt und dein Herz spürbar in deinem Brustkorb pochen lässt. Hörst du deinen eigenen Puls in den Ohren pochen? Spürst du, wie kalter Schweiß deinen Rücken hinabläuft? Vielleicht rinnen noch ein paar letzte Bluttropfen aus den Schnitten an deinen Armen und Beinen, vielleicht wirbelt einer von ihnen ebenfalls Staub auf, als er vom uralten Teppich aufgesogen wird.

Und woher kommt dieser Windhauch in deinem Nacken? Bis eben stand die Luft im alten Schloss. Steht dort jemand hinter dir? Oder ist das der Atem des Schlosses selbst?

Wenn du dich umdrehst, siehst du nichts als einen leeren, dunklen Flur. Ist er dunkler als zuvor? Schwindet das Licht etwa zunehmend? Und was verbirgt sich wohl in den Schatten? An den Wänden hängen vergilbte Gemälde, die Landschaften darauf sind düster, trist, grau; dort, wo einst Personen abgebildet worden sein müssen ist nun nur noch Leere. Du kannst dir noch immer nicht erklären, woher das permanente Gefühl, beobachtet zu werden herkommt.

Als du beinahe das Ende des Ganges erreichst hörst du ein Flüstern hinter dir. Nicht wie das der Rosenranken, nein; dieses klingt beinahe menschlich. Ein letzter Warnruf deiner bekannten Person?

Wieder siehst du nur einen leeren Flur, wenn du dich umdrehst.

Und dann kannst du ein leises Kichern hören. Woher kommt es?

Lausche in die Stille des Schlosses, die nur vom rhythmisch dröhnenden Herzschlag des Gemäuers und deinem eigenen, flachen Atem unterbrochen wird.

Hörst du das Kichern oder das Flüstern noch einmal hinter dir? Oder vielleicht über dir? Ist es dieses Mal näher?

Auch jetzt hast du keine Wahl: Du musst weiter gehen.

Die kleine Wendeltreppe vor dir führt in den höchsten Turm des Gemäuers, dorthin, von wo es kein Entkommen mehr gibt, nur die Illusion der Freiheit durch ein kleines Fenster, wenn du Glück hast. Die kalten, schmucklosen Steinwände sind vom Zahn der Zeit zernagt, überall sind Ritzen und Fugen im Gemäuer, durch die der Wind streifen könnte. Spürst du den Luftzug auf deiner Haut, an deiner Wange, in deinem Nacken? Spüre, dass er sich nicht anfühlt, als wäre es Wind. Wärmer. Feuchter. Fühlt es sich nicht eher an wie der Atem eines lauernden Raubtiers? Du gehst weiter hinauf. Hier oben hängen keine Gemälde mehr an den Wänden, kein Teppich liegt mehr auf dem Boden. Nur noch der nackte Stein um dich. Das hier oben ist ein Gefängnis wird dir spätestens jetzt klar.

Die Luft steht seit Jahrhunderten trotz der Lücken im Gemäuer; unbewegt, konserviert ist hier der Geruch des Zerfalls, der Verwesung. Stärker noch als im Pflanzenlabyrinth riechst du hier den Tod, der dieses Schloss ausfüllt. Ignoriere die aufsteigende Übelkeit. Du bist das einzige lebende hier.

Oder?

Du spürst wieder die Präsenz von etwas anderem als dir. Etwas lebendigem. Etwas, das dich beobachtet, dich erwartet. Auf dich lauert.

Es zieht dich magisch weiter zu der kleinen Kammer am Ende dieses höchsten Turmes. In die höchste Zelle dieses uralten Gefängnisses für was auch immer die Hecke gefangen hält.

Sieh dir die Tür vor dir näher an. Erkennst du die Maserung des durch die Zeit modrig gewordenen Holzes? Riechst du den Geruch des Zerfalls, der davon ausgeht?

Du öffnest die Tür und auch diese quietscht unangenehm in der Stille. Löst das Geräusch bei dir eine Gänsehaut aus? Zieht sich in deinem Inneren alles zusammen, wie beim Kratzen von Fingernägeln über eine Tafel? Das Dröhnen ist hier oben im Turm leiser als unten in der Eingangshalle des Schlosses, hier dringt es nur dumpf an dein Ohr. Du fühlst es viel mehr durch deinen gesamten Körper dringen, als dass du es hören kannst. Das Schloss hat dich fest im Griff, seit es dich der Hecke entrungen hat.

Das Metall des Türgriffes ist rostig und kalt, aber nicht so kalt wie der Raum vor dir.

Die Kammer hinter der Tür strömt noch viel mehr modrigen, fauligen Verwesungsgeruch aus. Ist dies das Zentrum des Zerfalls in diesem Schloss? Greift von hier die Präsenz um sich und hat den gesamten Schlosspark verdorben?

Sieh dich noch näher um. Kannst du vielleicht verstaubte Statuen im dunklen Zimmer erahnen, die Überreste der Möbel, eines Stuhles, der Kommode; Gemälde an der Wand? Oder ist dort vielleicht eine Gestalt in der dunkelsten Ecke?

Was kannst du spüren? Die Blicke einer unbekannten Entität auf deiner Haut, seinen Atem im Nacken? Vielleicht spürst du auch einfach seine unbestimmbare Präsenz, die hier nicht mehr zu leugnen ist.

Ganz sicher aber zieht es dich zur Mitte des Raumes hin. Dort, zu dem großen, ehemals prunkvollen Himmelbett, von dem nur noch ein absurdes Gerippe übrig geblieben ist. Hier hat der Zahn der Zeit am stärksten zugebissen, blutige Fetzen aus den Lacken gerissen und die Daunenkissen gerupft und geschändet zurückgelassen.

Die Präsenz ist hier noch stärker. Fühlst du den Blick im Nacken? Spürst du den Atem auf deiner Haut, die Anwesenheit von etwas, das auf dich wartet, dich hierher gelockt hat wie die Venusfliegenfalle seine Beute?

Geh näher ans Bett heran. Los, trau dich.

Der Teppich, der hier ausliegt, dämpft deine Schritte. Spürst du, dass es sich anfühlt wie ein lebendiges Wesen, über das du steigst? Spürst du den Blutfluss unter der Haut, den Puls in seinem warmen Leib pochen, im selben Rhythmus wie das Dröhnen aus den Untiefen des Schlosses?

Bleib am Bett stehen. Sieh dich noch einmal um. Das Himmelbett muss einst weiß gewesen sein, welche Farbe hat es jetzt? Blasses Grau? Modriges Gelb? Oder vielleicht ein rostiges Rot? Schau auf die Leichen der Kissen. Siehst du die Gestalt dort liegen, wie sie dich aus toten Augen anstarrt?

Gehe ein paar Schritte in eine Richtung – irgendeine. Achte darauf, wie ihr Blick dir folgt. Sieh hin, auf ihren Brustkorb, der sich nicht bewegt, auch wenn du den Atem des Schlosses spüren kannst. Kein Herz schlägt mehr im Rhythmus des Dröhnens im Schloss in ihrer Brust.

Welche Farbe haben die eingefallenen, schwarz unterlaufenen Augen? Waren sie einst strahlend blau oder von einem satten Grün? Vielleicht waren sie auch von einem warmen, leuchtenden Braun. Jetzt jedenfalls sind sie nicht mehr die Augen der Prinzessin, die hier einst lag, von der die Jahrhunderte aber nur diese bizarre Gestalt übrig lassen wollten.

Schau dir an, wie die Zeit aus ihrem schönen Antlitz eingefallene, hohle Wangen und eingetrocknete Lippen geformt haben. Schau genauer hin, sind ihre Zähne leicht gefletscht oder ist das nur, weil bereits Getier angefangen hat, ihre Lippen zu fressen?

Klebt dort ihr Blut an ihrem Kinn oder kommt dies vielleicht von einem übereifrigen Eindringling?

Wenn du näher herantrittst, kannst du ihren schwachen Rosenduft wahrnehmen.

Aber geh nicht zu nah heran, sonst – ja, du kannst sehen, wie ihre Hand, oder eher ihre Klaue, denn das ist alles was davon übrig geblieben ist, gezuckt hat.

Du drehst dich um und läufst in Richtung der Tür.

Doch die Tür ist verschwunden. Stattdessen ist dort nur noch eine dichte Rosenhecke, die Dornen glänzen spitz im Dunkel des Zimmers.

Tja, es gibt kein Entkommen.

Hinter dir hörst du, wie die Gestalt sich langsam aus dem Bett erhebt, die staubigen Laken achtlos zu Boden fallen lässt und im Puls des Schlosses auf dich zu kommt. Vor dir pulsieren die Rosenranken wie die Venen eines aufgewühlten Raubtiers.

Du bist gefangen.


Sage dir nun, dass du die Traumreise nun beendest und kehre dann in deinen Raum zurück.

Aber beeil dich, ehe du ihre Hand auf deiner Schulter spürst oder das Kratzen der Dornen auf deiner Haut, das Kitzeln der Ranken an deinen Knöcheln...