Deutsches Creepypasta Wiki
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Fahrstuhl ins Nichts[]

Ich drückte, nicht allzu begeistert, den Knopf in die dritte Etage. Ich hasste diesen Fahrstuhl. Etwas an ihm störte mich. Er war alt, roch muffig und die Tür kratzte beim Schließen. Nach einem anspruchsvollen Arbeitstag mochte ich die Treppe aber noch weniger, deshalb entschied ich mich für den heiß-geliebten Fahrstuhl. Natürlich weiß ich, dass man viel öfters die Treppe nehmen soll, aber manchmal… - uff. 

Der Fahrstuhl stoppte scharf. Nanu, was ist denn jetzt los? Ich sagte doch, dieses scheiss Ding könnte die Verwaltung wirklich mal ersetzen. Kein Wunder, dass ich nun wertvolle Minuten meines kurzen Feierabends hier in diesem modrigen Höllen-Fahrstuhl verbringen musste. Energisch drückte ich den Hilfeknopf, der dann eingedrückt blieb und klar kein Signal weiterleitete – na toll.

Mein Herz rutschte mir in die Hosen und mir lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinab, als ich realisierte, dass der offensichtlich defekte Fahrstuhl, begann nach unten zu fahren. Dieses Gefühl, ausgeliefert zu sein, nicht in der Lage zu entscheiden was mit einem passiert – ich sag euch, das wünsche ich niemandem. Kalter Schweiß bildete sich an diversen Stellen meines Körpers, ich wusste nicht einmal, dass ich dort Schweißdrüsen hatte. Der Fahrstuhl hatte ein konstantes aber langsames Tempo, welches allerdings nach meinem Gefühl immer ein wenig schneller wurde. Zuerst dachte ich, er würde abstürzen und ich versuchte mich mal an ein fragliches „Hilfe…“ 

Das Adrenalin begann seine Wirkung zu zeigen und mein „Hilfeee...!“ war dieses Mal ein wenig bestimmter und panischer zugleich. Logischerweise war dieses nutzlos. Nun denkst du `war ja klar, dass er es nun bereut den Fahrstuhl beleidigt zu haben`. Na schön, du hast ja Recht. ES TUT MIR LEID LIEBER FAHRSTUHL. Bitte bring mich wieder hoch und ich gehe, ohne negative Gedanken gegen dich, in meine Wohnung und führe mein monotones Leben weiter.

Der Fahrstuhl hatte nun eine Geschwindigkeit erreicht, die mich erzittern ließ und meine Knie wurden weicher als Butter, die man vergessen hat wieder in den Kühlschrank zu stellen. Ich müsste jeden Moment den Boden erreicht haben und dann ist’s aus die Maus. Finito. Kann ich abschließen mit meinem Leben? Hab ich das erlebt, was ich immer wollte? Hatte ich ein erfülltes Leben? Habe ich meine Zeit mit den Menschen verbracht, die mir am wichtigsten waren? Ich versuchte diese Gedanken zu unterdrücken, ich musste hier raus! Ich muss überleben! Ich bin doch erst 28 Jahre alt!

Nichts - kein Aufprall, kein Knall, keine Schmerzen, kein Feuer von einer Explosion, wie in all diesen Filmen gezeigt wird. Der Fahrstuhl fuhr einfach weiter. Und weiter. Meine Angst schoss in die Höhe und wurde immer beklemmender. Ich versuchte ruhig zu atmen, mich festzuhalten. Ich wusste nicht, wie lange ich schon in diesen grausamen vier Wänden war. Die Fahrt dauerte Minuten, es kam mir vor wie Stunden. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Ich muss träumen, bin ich im Büro eingeschlafen? Oder im Bus? Oder bin ich in meinem Bett und es ist alles gut, normal und langweilig wie immer? Ich bin Realist und glaube nicht an solchen Humbug.

Meine Haare an den Armen, dem Rücken, ja - gar an den Beinen begannen sich zu erheben und ich war aufmerksamer als ein sterbendes Tier, welches um sein Leben kämpft. Diese Reaktion kam zum Vorschein, als ich begriff, dass der Fahrstuhl langsamer wurde und abrupt zum Stillstand kam. Auf einmal, absolute Stille. Nur mein Herz schlug mir bis in die Ohren, mein Atem war rasant schnell und mein Mund trocken.

Nach etlichen Minuten der Ruhe, ging schlagartig die Fahrstuhltür auf – und dies ganz ohne Kratzen und Quietschen. Vielleicht wurde sie durch die rüttelnde Fahrt wieder eingerenkt. Zumindest etwas Positives an der ganzen Sache. Das nächste, was ich war nahm, war die feuchte Luft, als befand ich mich in einer Dusche. Es roch nach alter, abgestandener Luft, einfach widerlich. Blitzartig hörte ich sie, die Stimme, die bis heute noch in meinem Kopf herum geistert. Sie sprach sehr deutlich, aber eine solche Stimme vermag ich mir in meinen dunkelsten Fantasien nicht zu erträumen. So düster, finster und bedrohlich. 

„Ein Besucher, wie außergewöhnlich…“ hauchte die Stimme. Ich erkannte, dass diese Stimme auf keinen Fall menschlichen Ursprungs sein konnte. „Komm her… ich beiße schon nicht.“ Ertönte es erneut aus der Dunkelheit.

Was ich sah? Nichts. Nein, ich meine Nichts, solch eine Schwärze hatte ich noch nie erlebt. Das Licht, welches vom Fahrstuhl aus kam, wurde regelrecht verschluckt. Noch nie wollte ich diesen Fahrstuhl NICHT verlassen. Er war meine Fahrkarte in meine Wohnung, in mein Haus, in meine Welt. Gerade als ich anfing meine schweißnassen Hände an meiner bereits durchnässten Hose abzuwischen, zischte die Stimme erneut: „Wie ist dein Name?“ 

Starr vor Angst wusste ich mir nicht zu helfen, sollte ich antworten oder einfach die Klappe halten und so fest an Gott glauben, er möge mich aus diesem Albtraum raus holen? Ich entschied mich für Ersteres. „I-Ich heisse Jim.“ Entgegnete ich unsicher. Auf einmal ging ein knurren durch die Leere. Das Knurren vibrierte so stark, dass ich erschrak, es alle meine Organe durchrüttelte und das Adrenalin bestimmt bereits schon eine Überdosierung in meinem Körper verursachte.

Rasant klatschte die Tür vor meiner Nase zu. Im Allgemeinen erachte ich diese Geste als unhöflich, aber ich war überglücklich deswegen. Der Fahrstuhl setzte sich erneut in Bewegung, ein Ruck leicht nach unten. Nein - bitte nicht noch weiter nach unten! Ich bin doch schon genug nahe am Erdkern, so lange bin ich gefahren! Dann kam die Erleichterung, ich fuhr nach oben. Es konnte gar nicht schnell genug gehen. Ich wollte einfach nur weg von diesem Ding – weg von dieser Bosheit, dieser Gefahr. 

Ich hörte noch immer diese finstere Stimme in meinem Kopf. Sie brannte sich in mein Gedächtnis ein. In die hinterletzte Zelle meines Gehirns. Die Fahrt nach oben kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit, oder eher eine ganze. Der Fahrstuhl bebte und ruckelte, die Lichter flackerten und gaben mir dabei noch den Rest. Meine Sinne waren geschärft. Ich schwitzte, keuchte, hustete weil ich keine Luft mehr bekam, meine Pupillen waren geweitet und mein Herz drohte mich im Stich zu lassen. 

Endlich! Der Fahrstuhl wurde langsamer und kam letztlich zum Halt. Noch nie bin ich so überstürzt aus einer Tür hinaus gehechtet. Auf dem Gang unmittelbar daneben, haben meine Hüften, Knie und Füße den Kampf gegen die Schwerkraft verloren. Ich zwang meine Muskeln einige Meter weiter zu kämpfen und mich näher an meine Wohnung heran zu bewegen. Noch immer weilte die Stimme des unheimlichen Wesens in meinem Kopf. Diese war Motivation genug über meine Kraft hinaus, meinen Körper zu zwingen, mich in Sicherheit zu begeben. 

Da - meine Wohnung! Ein Hoffnungsschimmer, um diese Scheiße hinter mir zu lassen. Zum Glück hatte ich meine Schlüssel immer in der Hosentasche und nicht in der Jackentasche, welche ich im Fahrstuhl ausziehen musste, dank meinen hyperaktiven Schweißdrüsen. Zitternd schob ich den Schlüssel so rasch als möglich in das Loch, drehte ihn um und öffnete meine Gott verdammte Tür. Als ich sie hinter mir zuschlug, war die Stimme sofort verschwunden. Ich blickte hastig auf die Uhr an meiner Wand, diese zeigte immer noch dieselbe Zeit an, wie ich in den Fahrstuhl stieg. Das konnte doch nicht sein, was sollte dieser ganze Mist? Keuchend ergab ich mich meinem erschöpften Körper und legte mich nach einer Dusche auf den schwankenden Knien ins Bett.


Als ich am nächsten Tag meinen Vermieter anrief und ihm schilderte was passiert war, legte er wütend das Telefon auf. Meine Nachbarn gingen mir aus dem Weg, sobald ich mit meiner Geschichte anfing und grüßten mich nur sehr knapp. „..Tag..“ - mehr bekam ich nicht zu hören. Ich verstand die Welt nicht mehr. Was war dort unten mit mir geschehen? Ich war so verwirrt und mitgenommen, dass ich mich für die nächsten Tage im Büro als krank meldete und zu Hause blieb. Ich verschanzte mich mit meiner Kuscheldecke, etwas Essbarem und Meditationsmusik in meiner Wohnung. Ich muss wieder auf die richtige Spur kommen und diesen Irrsinn vergessen.

Drei Tage nach dem Geschehen, kam meine Mutter vorbei, um mir Lebensmittel zu bringen. Kennt ihr das, wenn eure Mutter auch noch dann für euch sorgt, wenn ihr schon lange erwachsen seid? Genauso eine habe ich. Ich wusste, ihr kann ich alles erzählen. Da sie auch ein Schlüssel zu meiner Wohnung hatte, kam sie selbst hinein. Es tat so gut, wieder ein Gesicht zu sehen, welches mich anlächelte. 

„Hey Mum“, murmelte ich, die Angst versteckend. Sie entgegnete und gab mir ein Kuss auf die Wange: „Guten Morgen mein Sohn, wie geht es dir heute? Du siehst ein wenig… anders aus… ist alles in Ordnung?“ Mütter – sie wissen genau, wenn etwas nicht stimmt. 

„Nein Mum, es ist nichts. D-Danke für die Einkäufe, hast du  alle Tüten auf einmal vom Auto zum Fahrstuhl getragen?“ erwiderte ich ein wenig benommen.

Sie trug die Einkäufe in die Küche und lachte: „Mein Junge, du warst schon immer für ein Späßchen zu haben . Schön wär’s, wenn’s in diesem Haus ein Fahrstuhl gäbe, mein Schatz.“

Autorin : Fabienne

Vertonung : https://www.youtube.com/watch?v=fRBPnM0cMgA

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