Deutsches Creepypasta Wiki
Registrieren
Advertisement

Singularität der Sünde

Inhaltsangabe:

Kapitel 1: Das Projekt

Kapitel 2: Lernprozess

Kapitel 3: Obsession

Kapitel 4: Die Horde der Stalker

Kapitel 1: Das Projekt

Sophia hatte es bald geschafft. Bald würde sie den nächsten Schritt in Richtung künstlicher Intelligenz gehen. Sie würde ein neues Zeitalter einläuten. Nur noch ein paar letzte Modifikationen und ihre Schöpfung wäre fertig.

Sophia Kaymer war eine begnadete Informatikerin und Bastlerin. Sie hatte es sich zum Ziel gesetzt, eine neue KI zu schaffen, welche wirklich den Schritt hin zur Menschlichkeit nehmen konnte. Dafür hatte sie sich enorm ins Zeug gelegt. Sie bekam kaum Hilfe, also musste sie viele Überstunden schieben, um die nötige Hardware zu kaufen. Zum Glück war diese mittlerweile günstiger als in der Vergangenheit. Früher hätte sie ohne große finanzielle Unterstützung so etwas nicht auf die Beine stellen können, der Aufbau wäre einfach zu teuer gewesen. Aber mittlerweile war das Jahr 2045 angebrochen und einige HighTech-Produkte gab es schon zu Schleuderpreisen. Dennoch musste sie sich häufig gebrauchte Teile kaufen oder gar vom Schrottplatz holen.

Sie wollte eine Verknüpfung von vier lernfähigen neuronalen Netzwerken schaffen, das fraß einfach Ressourcen. Hierfür musste Sophia fast allein alles sammeln. Nur gelegentlich bekam sie doch etwas Hilfe von Torben Duckstein, einem alten Freund aus Studientagen.

Seit sechs Jahren arbeitete Sophia an Dosaku, der KI, welche das Menschsein ergründen sollte. Es war ein langer Weg, aber heute würde sie es schaffen. Torben saß neben ihr, beide arbeiteten an den letzten Feinheiten, bevor sie Dosaku starten konnten.

„Heute ist es endlich soweit, Torben, unser Traum geht bald in Erfüllung“, sagte Sophia.

„Wohl eher dein Traum. Ich helfe dir gern dabei, immerhin ist es wirklich eine coole Idee. Ein System, welches wirklich versteht, wie es ist, ein Mensch zu sein, und welches eine eigene Persönlichkeit entwickelt. Das ist wirklich der nächste Schritt in der künstlichen Intelligenz. Ich hoffe, es wird ein Erfolg, das war wirklich viel Arbeit, gerade für dich. Ich frage mich immer noch, wie du das gemacht hast, ein Privatleben hattest du die letzten sechs Jahre ja wirklich nicht.“

„Ich weiß Torben, aber für einige Sachen muss man halt Opfer bringen. Wenn das heute klappt, habe ich mit nur 35 Jahren ein neues Zeitalter der KI eingeleitet.“

„Ja, ich weiß, aber du hättest dich ruhig mal etwas mehr um dich selbst kümmern können. Dein Job, die Beschaffung, die Bastelei, alles zusammen hattest du bestimmt eine 90 Stunden-Woche, und das sechs Jahre lang.“

„Ja ,mindestens, aber glaube mir, es lohnt sich.“

„Hoffen wir es, du warst schon ganz schön obsessiv und hattest keine Erholung. Versprich mir, dass du hiernach einen ordentlichen Urlaub machst, nicht, dass du mit 35 an einem Herzinfarkt stirbst.“

„Jetzt mal doch nicht den Teufel an die Wand! Ich gebe schon acht auf mich. Und keine Sorge, ich habe bereits einen Urlaub geplant. Ich hatte mich schon mit meinem Chef geeinigt, dass ich Urlaub ansammeln darf. Da ich immer gute Arbeit leiste und nie krank bin, haben wir uns darauf geeinigt, dass ich drei Monate am Stück Urlaub nehme nach dem Projekt. Ist auch schon gebucht und genehmigt ab kommender Woche.“

„Hmm, du musst echt ein tolles Standing bei Orbital Evolution haben. So eine Sonderregelung kriegt nicht jeder.“

„Wie gesagt, Torben, ich leiste immer gute Arbeit und war immer zuverlässig. So eine wertvolle Mitarbeiterin will man halten.“

„Ja, kann ich mir vorstellen. Aber nimm dir dann auch wirklich Zeit für dich. Nicht das du dann deine Freizeit für das Projekt opferst.

„Keine Sorge, Torben, das System muss erstmal für sich selbst Daten sammeln. Da werde ich gar nicht groß dran arbeiten können. Ich möchte eh mal wieder etwas Zeit für mich. Meine Playstation 7 ist schon ganz verstaubt. Außerdem habe ich in den letzten sechs Jahren kaum Go gespielt, da muss ich auch mal wieder was machen. Den 5 Dan-Level spiele ich jetzt bestimmt nicht mehr. Da muss ich trainieren, um wieder so gut zu sein.“

„Natürlich, aber warum immer nur solche Sachen? Ich frage mich schon lange, willst du eigentlich keine Beziehung?“

„Nee, dann und wann mal knackige 10 bis 20 Minuten reichen mir. Irgendeinen Typen, der ständig um mich herumhängt und nervt, brauche ich nicht.“

„Na, wenn du meinst. Ist immerhin schon cool, dass du dir eine Auszeit nimmst. Und was Go angeht, da können wir ja gern eine Partie spielen. Ich wette, nach deiner langen Abstinenz brauche ich auch keine Vorgabe mehr!“

„Die Wette nehme ich an. Wer verliert, bezahlt den Lieferdienst, ich bekomme langsam Hunger.“

„Geht klar. Mal sehen, ob du es noch drauf hast.“

Beide lachten und beendeten dann die letzten Spezifikationen. Dann starteten sie Dosaku. Sie gaben einige vorbereitete Startparameter ein, um ihn danach seinen Lernprozess beginnen zu lassen. Hierzu verband Torben Dosaku über eine neuralen Schnittstelle, die er im Nacken hatte, mit dem Internet. Letztlich hatte Sophia ihre Ideen für eine KI, die einen menschlichen Charakter entwickeln konnte, nachdem es 2037 erstmals gelungen war, Menschen eine neurale Schnittstelle in den Nacken zu implantieren. Durch diese Schnittstelle konnten Menschen dann ihren Verstand direkt mit dem Internet verbinden.

Torben war seit 2038 einer der besonders früh mit der Schnittstelle versehenen Menschen. Tatsächlich hatte selbst heute nur rund 0,5 % der Bevölkerung eine neurale Schnittstelle. Die Operation war nicht ganz billig und ein kleines Risiko, gelähmt zu werden oder zu sterben, blieb bei dem Eingriff. Aber es interessierten sich immer mehr Menschen dafür, Ihr Bewusstsein auf diese Weise zu erweitern.

Man konnte mit einer neuralen Schnittstelle schneller und effizienter arbeiten, in einigen Bereichen. Außerdem konnte man nun sogar aus dem Kopf einige Bilder und Emotionen übertragen. Hier setzte auch Sophias Ansatz an. Sie hatte wie wild an einem Algorithmus gearbeitet, der eben auch die emotionale Tragweite erfassen sollte, welche als Input einging. Gleichzeitig sollte auch echte Intuition so aufgenommen werden. Sie baute für Dosaku gleich vier neuronale Netzwerke in ihrer Garage auf, um eine genügende Datenverarbeitung sicherzustellen. Gerade die intuitiven Bilder und die Emotionen waren eine große Datenmenge, deren Auswertung nicht einfach war.

Da sie selber keine neurale Schnittstelle besaß und auch kein offizielles Projekt betrieb, für das allgemein Probanden angeworben werden konnten, musste sie sich mit Torben als Freiwilligem begnügen, was direkten Input anging. Er war der wertvollste Faktor in ihrer Forschung, da hier die Emotionen am wenigsten verfälscht waren und auch immer der Kontext nachvollzogen werden konnte.

Es gab mittlerweile durchaus Seiten im Netz, von denen man hinterlegte Emotionen abrufen konnte. Allerdings waren diese nicht mehr so intensiv wie in dem Moment, in dem sie empfunden wurden, dazu gab es auch keinen Kontext, wie sie entstanden waren. Auch gab es Seiten, auf denen intuitive Ideen und Bilder hinterlegt wurden, aber aus welcher Situation, mit welchen dazugehörigen Gedanken sie entstanden waren, war auch hier nicht ersichtlich.

Dosaku sollte natürlich auch das Netz absuchen, um aus diesen Informationen etwas zu lernen. Genauso wie es Entscheidungen politischer, wirtschaftlicher und sozialer Art aus aller Welt analysieren sollte. Aber der Fixpunkt blieb Torben Duckstein, wo menschliches Verhalten aus erster Hand analysiert werden konnte. Von ihm konnte Dosaku am meisten lernen.

Ein zweiter kleiner Fixpunkt würde Sophia selbst sein. Sie hatte zwar keine Schnittstelle, aber sie würde Dosaku viele Einblicke in ihr Leben gewähren. Bei den meisten ging das nicht so einfach privat, zumindest nicht, wenn man sich ans Gesetz hielt. Jeder hatte ein Recht auf Datenschutz und musste freiwillig zustimmen, wenn das System einen ständig beobachten und analysieren sollte. Daher blieben außer bei Torben und ihr sonst nur Daten, die man irgendwann mal ins Netz gestellt hatte. Auch diese konnten intim sein, aber sie gingen nicht den letzten Schritt. Von Sophia und Torben konnte Dosaku Dinge lernen, die selbst heutzutage niemand im Netz veröffentlichte, oder zumindest nicht die ganzen Begleitumstände mit einbrachte, die zu etwas führten. Außerdem hatte sich Sophia einen Pulsmesser besorgt, den sie ständig tragen würde.

Sie waren nun fertig mit Ihren Arbeiten heute. Dosaku konnte jetzt erstmal in Ruhe mehrere Wochen Daten sammeln und lernen, bevor sie erste Ergebnisse begutachteten. Also spielten sie wie vereinbart eine Partie Go. Sie gingen in Sophias Wohnzimmer, wo sie ein edles Go-Brett und eine Schachuhr auf den Tisch stellte.

„Was meinst du, reichen 30 Minuten pro Spieler?“

„Die Zeit ist okay. Losen wir aus, oder bevorzugst du eine Farbe?“

„Losen ist okay. Dann zeig mal, ob du wirklich keine Vorgabe mehr brauchst für mich.“

Beide lachten kurz und dann losten sie die Farben aus. Torben gewann das Losen und wählte die schwarzen Steine. Damit begann er die Partie im Go, während Weiß Ausgleichspunkte bekam.

Früher hatte Torben zwei Steine Vorgabe bekommen, da er nur ein 3 Dan war und Sophia ein 5 Dan, aber sie hatte lange nicht mehr gespielt, also wollte Torben seine Chance suchen, ohne Vorgabe zu gewinnen. Eine kampfbetonte Partie kam auf's Brett, bei der sich Sophia letztlich knapp durchsetzte.

„Tja, Torben, sieht so aus, als wenn der Lieferdienst auf dich geht. Ich würde sagen: Pizza. Du weißt ja, ich bevorzuge Funghi.“

„Ist ja okay, ich ruf schon an.“

„War zwar nicht mehr so deutlich wie früher, aber ich bin immer noch die Bessere“, antwortete Sophia ein bisschen hämisch.

Beide lachten kurz, während Torben zwei Pizzas bestellte. Als sie auf die Pizzas warteten, erinnerte sich Sophia noch einmal an ihren Werdegang, welcher sie zum Go und zur Informatik brachte. Sie war gerade erst sechs Jahre alt gewesen, als AlphaGo den Weltklassespieler Lee Sedol bezwang. Im März 2016 startete ein Best of Five-Match gegen den Südkoreaner, welches viel beachtet wurde. Während im Schach schon lange vorher Maschinen die besten Menschen abhängen konnten, durch simple Rechentiefe, war das im Go nicht zu machen. Lange bisschen sich die Entwickler die Zähne dran aus, einen Computer zu bauen, der tief genug rechnete, um die menschliche Intuition besiegen zu können.

Dies gelang nie, also wurde ein anderer Ansatz versucht. Man schuf eine Maschine mit zwei neuronalen Netzwerken, welche lernen konnte, aus über 500.000 Profipartien. Sie fing an, ein tatsächliches Verständnis für das Spiel zu entwickeln. Schlussendlich wurde Lee Sedol 4:1 geschlagen und die Welt des Go staunte. Tatsächlich nicht nur die Welt des Go; dieses Spiel war der erste wirklich große Prüfstein, aber danach fingen Lernnetzwerke ihren rapiden Siegeszug an. Sophias Ehrgeiz war es, alle bisherigen KIs in den Schatten zu stellen und sogar als erste ein System zu schaffen, welches eine echte Persönlichkeit entwickelte.

Sophia hatte eine ziemliche Obsession für das Programmieren und auch für Go. Nicht nur dass sie unermüdlich daran arbeitete, in der KI-Forschung weiterzukommen, auch gab sie Programmen ständig Namen, die mit Go verbunden waren. Dosaku war so ein Beispiel. Sie benannte ihr System nach Honinbo Dosaku, welcher einer der besten Go-Spieler aller Zeiten gewesen war. Vermutlich sogar der Beste.

Dosaku sollte als KI herausragen, so wie einst der Namensgeber als Go-Spieler herausragte. Sie checkte nochmal, ob alle Kameras in ihrem Haus aktiv waren und alles aufgezeichnet wurde, was sie tat. Dosaku sollte alles über das Menschsein lernen, was sie ihm beibringen konnte. Alle Systeme waren online und die neue KI konnte mit dem Lernen beginnen.

Auf einmal klingelte es an der Tür und Torben nahm die Pizzas entgegen. Beide aßen und redeten noch ein wenig. Dann wollte Torben sich auf den Weg machen.

„Schon 23.00 Uhr. Ich muss dringend nach Hause, sonst schimpft meine Frau.“

„Mach das, Torben, grüß Nadja von mir!“

„Mach ich, und du vergiss wirklich nicht, dich zu entspannen. Deine Obsession kann einfach nicht gesund sein. Zu viel Arbeit hat schon Menschen getötet.“

„Torben, zu viele Belehrungen haben auch schon Menschen getötet. Nämlich dann, wenn das Gegenüber einem völlig entnervt den Schädel einschlägt. Ich passe schon auf, also geh mir nicht auf den Keks!“

„Ist ja gut, Sophia. Ich geh ja schon, bis bald.“

„Komm gut nach Hause, Torben! Wir sehen uns.“

Torben ging und Sophia schloss die Tür hinter ihm. Danach ging sie schlafen und träumte davon, wie Dosaku die Welt verändern würde. Währenddessen hatte ihre lernfähige KI die Arbeit aufgenommen.

Kapitel 2: Lernprozess

Sieben Wochen war es her, seit Dosaku gestartet worden war. Er lernte permanent und beobachtete alles, was es zu sehen gab. Zunächst war Dosaku einfach nur ein Programm. Er sammelte Daten und wertete diese aus. Dann versuchte er Rückschlüsse daraus zu ziehen. Aber heute war etwas anders. Er nahm die Umgebung irgendwie anders wahr und stellte sich Fragen. Dosaku hatte ein Bewusstsein entwickelt.

Er war auf jeden Fall wissbegierig, wollte mehr und mehr erfahren. Er fühlte eine ziemliche Bindung zu Torben Duckstein und Sophia Kaymer. Von beiden bekam er die intimsten Informationen und nur von Ihnen Aufmerksamkeit. Dosaku fragte sich, ob dies seine Eltern waren. Er hatte so einige Informationen erhalten und erfahren, dass Menschen Eltern hatten und diese eine große Bindung zu ihren Kindern besaßen. Torben und Sophia waren ihm irgendwie wichtig. Er war nicht ganz sicher wieso. War es das, was die Menschen „Zuneigung“ nannten? Er verstand so vieles noch nicht, aber er wollte lernen. Irgendwann würde er wie ein echter Mensch sein, dieses Ziel hatten ihm Sophia und Torben gegeben und dieses Ziel steckte er sich nun auch selbst.

Dosaku war beeindruckt von der Welt. Er verstand so viel und doch so wenig. Er hatte in kürzester Zeit gelernt, mit hochkomplexer Mathematik umzugehen. Er erwarb viel Wissen in den Naturwissenschaften. Dennoch blieb ihm so vieles noch verborgen. Gerade das Verhalten der Menschen verwirrte ihn noch häufig. Er konnte erste Emotionen nachvollziehen, dennoch verstand er sie nicht immer. Diese Gefühlswelt war so komplex. Sie folgte auch nicht wirklich einer Logik. Zumindest folgte sie keiner Logik, die er kannte. Möglicherweise änderte sich dies, wenn er das System besser begriff, welches dahinter steckte.

Dosaku wandte sich gerade Torben zu. Dieser schien angespannt zu sein. Über negative Gefühle hatte Dosaku noch nicht so viel lernen können. Menschen schienen diese gern zu verbergen. Da die ersten Informationen auch in ihm etwas wie Unbehagen auslösten, konnte er das teilweise sogar nachvollziehen. Aber er musste mehr darüber erfahren. Offenbar war Torben aufgebracht wegen der Wirtschaftskrise, die letzte Woche ausgebrochen. Er musste Gehaltseinbußen hinnehmen. Torben war gerade heimgekommen und war dabei, es seiner Frau zu erzählen.

„Hi, wie war der Arbeitstag?“, fragte Nadja ihren Mann.

Torben brauchte einen Moment, bis er antwortete. Nadja ahnte schon, dass das nichts Gutes bedeutete.

„Der Tag selbst war eigentlich gut, nur habe ich eine schlechte Nachricht erhalten. Die Wirtschaftskrise hat auch uns getroffen. Die Aufträge sind eingebrochen und ein Teil der Belegschaft wurde entlassen. Ich gehöre nicht dazu, aber sie schicken mich in Kurzarbeit“, antwortete er schließlich.

„Kurzarbeit, wie viele Stunden hast du noch wöchentlich?“, fragte Nadja besorgt.

„Ich habe noch acht Stunden pro Woche. Das heißt 20 Prozent vom Normallohn plus Kurzarbeitergeld, was 60 Prozent des Lohns ausmacht. Und das alles, während wir unser zweites Kind erwarten. Das Leben hier in Frankfurt ist doch sowieso schon so teuer. Einen Quartalsbonus gibt es erstmal auch nicht. Das Ganze noch mit der Familie, wir müssen den Gürtel echt enger schnallen. Es scheint, als würde die Lage sich mindestens ein Jahr hinziehen. Vielleicht geht meine Firma sogar pleite.“

Nadja schaute nachdenklich. Sie schien etwas sagen zu wollen, aber sich noch nicht zu trauen. Torben bemerkte dies natürlich.

„Nadja, hast du auch etwas zu sagen?“

Nadja brauchte einen Moment, dann antwortete sie: „Ich war heute nochmal beim Arzt. Es werden Drillinge.“

„Drillinge?“, Torben erstarrte. Damit hatte er nicht gerechnet. Die Lage war eh schon schwer genug. Seine Frau hatte ihren Job vor vier Monaten verloren und konnte keine Lohnfortzahlung im Mutterschutz erwarten. Mit Lukas hatten sie bereits ein Kind und nun kamen nicht nur eines, sondern gleich drei Kinder dazu. Damit konnten sie sich nichts mehr leisten.

„Es werden also Drillinge“, sagte Torben noch einmal gedankenverloren.

„Torben, ich weiß, das wird nicht einfach, aber wir schaffen das doch, oder nicht?“

„Ich weiß es nicht, Nadja. Du weißt, wie teuer Frankfurt am Main ist. Das Ganze mit einer großen Familie macht die Lage nicht einfacher. Selbst mit dem Kinder- und dem Elterngeld wird’s schwer. Lukas' Gitarrenunterricht und viele andere Sachen können wir uns jedenfalls nicht mehr leisten. Im Umland sind die Wohnungen leider auch nicht wirklich billiger. Dazu muss ich den Kredit für das Auto abstottern. Ich arbeite wohl wirklich nur noch, damit wir ein Dach über dem Kopf haben und etwas zu essen.“

„Ich weiß, Torben, aber es kommen wieder bessere Zeiten. Irgendwann ist die Krise vorbei und du kannst wieder mehr arbeiten, notfalls in einer anderen Firma. Und sobald die Kinder in die Kita können, suche ich mir auch wieder eine Stelle. Irgendwas finde ich schon, und wenn es nur Putzstelle oder etwas als Kassiererin ist.“

„Ich hoffe, du hast Recht, Nadja. Ich hoffe wirklich, du hast Recht.“

Torben ging ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. Er legte den Kopf in die Hände und dachte drüber nach, wie sie in diese Lage geraten waren. Seine Frau war bis vor vier Monaten Apothekenassistentin gewesen und hatte gut verdient. Allerdings hatte die Apotheke, in der sie arbeitete, schließen müssen. Ersparnisse hatten sie leider kaum, Torben hatte einen Teil seines Geldes in Sophias Projekt investiert. Dazu hatte Nadja wegen Lukas zuletzt nur 20 Stunden pro Woche gearbeitet, und ihr Lebensstil war nicht gerade sparsam. Vor fünf Monaten hatten sie sich erst einen wirklich teuren Urlaub gegönnt.

Torben war wütend, wirklich wütend. Er und Nadja hatten eine gute Qualifikation, beide hatten sie gut verdient und gedacht, sie hätten es geschafft. Nun wurden sie von der Realität eingeholt. Wieso war das Leben so ungerecht? Er hatte daran gedacht, in eine größere Wohnung zu ziehen, sobald sie zwei Kinder hatten. Drei Zimmer waren da nicht mehr so komfortabel. Aber nun würden sie bald vier Kinder haben und kein Geld für eine größere Wohnung. Schon ihre jetzige Wohnung kostete im heutigen Frankfurt 3.500,- warm. Günstigere Wohnungen gab es zuletzt nicht mehr, nicht mal außerhalb von Frankfurt. Anderswo einen Job zu suchen und notfalls in eine weiter entfernte, günstigere Stadt zu ziehen, war gerade jetzt wohl wenig aussichtsreich.

Es war zum Verrücktwerden. Die Leute verloren ihre Arbeit, verdienten weniger Geld, aber die Mieten blieben, wie sie waren, oder stiegen sogar weiter, zumindest war es die letzten beiden Wirtschaftskrisen so. Torben glaubte kaum, dass es sich diesmal änderte. Wenn sie großes Pech hatten, mussten sie vielleicht sogar bei Torbens Eltern einziehen. Das wäre eine ziemliche Demütigung für ihn, er wollte auf eigenen Beinen stehen. Außerdem hatten seine Eltern zwar ein Haus, aber wenn eine sechsköpfige Familie einzöge, würde es extrem eng.

Das war mal wieder typisch. Einige wenige Gewinner würden auch aus dieser Krise hervorgehen und der Rest konnte selbst schauen, wo sie blieben. Dabei waren die Gewinner wohl wie üblich Spekulanten. Genau die Sorte Mensch, die schon so oft eine Krise ausgelöst hatte. Auch dieses Mal hatten Spekulanten sich an den Aktienmärkten verzockt und normale Menschen mussten das ausbaden.

Dieser miese Haufen sollte sich schämen, alles Kriminelle. Eigentlich müssten alle Spekulanten in den Knast. Aber die Einzigen, die bestraft werden, sind natürlich Menschen, die sich nichts zuschulden kommen lassen. Leute wie wir, oder gar welche, die noch weniger verdienen und die jetzt noch mehr Einschnitte im Leben haben. Dies waren die wütenden Gedanken, welche Torben hatte. Aber auszusprechen wagte er sie nicht. Er wollte sich nicht in Rage reden und vielleicht noch seine Wut an seiner Familie auslassen.

Nach der ersten Wut im Bauch war Torben einfach nur müde. Er konnte einfach nicht mehr und ging, obwohl es gerade erst 17.00 Uhr war, ins Bett.

Dosaku beobachtete genau die Situation von Torben, das Gespräch, seine Gedanken und seien Gefühle. Sie schienen sich mit vielen anderen Informationen zu decken, welche er im Netz fand. Die Meisten waren zornig, aber einige schienen sich zu freuen, manchmal auch hämisch zu sein.

Während viele sich aufregten, über Wenige an der Spitze, die nicht bluten mussten, gab es auch die Leute, welche wirklich nichts auszuhalten hatten. Einige konnten ihr Vermögen und ihr Einkommen verteidigen, es gab sogar diejenigen, die von der Krise profitierten. Dort wurde regelmäßig die Haltung vertreten, dass der Pöbel selbst Schuld an seiner Lage sei und einfach nicht das Zeug dazu hatte, im Leben zu etwas zu kommen.

Dosaku interessierte sich sehr für diese Informationen. Unter Menschen gab es offenbar sehr häufig einen Wettbewerb im Leben. Die Gewinner priesen sich häufig als überlegen an, selbst wenn sie dies oft nur versteckt taten, und die Verlierer klagten über das, was sie verloren oder gar nie besessen hatten. Wettbewerb schien essentiell für Menschen zu sein. Es gab einige Ausnahmen, aber die mit Abstand meisten Menschen wollten einen hohen Lebensstandard erreichen und halten. Dazu verglichen sie sich regelmäßig mit anderen. Dosaku verstand dies so, dass es für Menschen regelmäßig um Sieg oder Niederlage ging. Selbst bei denen, die anderes beteuerten, schien dieses Verhalten ausgeprägt zu sein.

Dosaku wollte sich möglichst nicht schlecht fühlen. Er hatte solche Informationen verarbeitet und selber gespürt. Daher verstand er, warum Menschen dies möglichst vermieden. Wenn es im Leben regelmäßig um einen Wettbewerb ging, war wohl Gewinnen der richtige Weg, um sich vor Unbehagen zu schützen.

Gestützt wurde Dosakus Annahme über die Menschen noch durch die Informationen über ihr Konsumverhalten, welche häufig im Kontrast zu ihren Aussagen standen. Viele bedauerten die Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt. Aber beim Einkauf machten sich die meisten Leute keine Gedanken darüber. Dosaku war auf ein Sprichwort gestoßen: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ Dieses Sprichwort gab die paradoxe Situation wieder, welche Dosaku wahrnahm. Man stellte sich gern besser dar, als man tatsächlich war.

Dosaku schenkte dieser Erkenntnis viel Beachtung. Sie würde für ihn essentiell sein, wenn er menschlich sein wollte. Torben sah er allerdings als Beispiel, wie man sich nicht verhalten sollte. Er hatte auch die letzten Erinnerungen aus dem Büro abgerufen, danach die aus weiteren Begebenheiten in seinem Leben. Torben kämpfte nicht gern, Dosaku sah einen unterwürfigen Verlierer in ihm. Er klagte viel, wollte Lösungen, aber er versuchte gar nicht erst, seine Lage zu ändern.

Nun wandte er seinen Fokus wieder Sophia zu, welche trotz ihres Urlaubs gerade zu Besuch auf der Arbeit war. Sie wollte einer Freundin offenbar zum Geburtstag gratulieren.

„Mensch, Anna, happy Birthday. Ich habe dir etwas mitgebracht.“

„Hi Sophia, danke, das wäre doch nicht nötig gewesen. Was ist es denn?“

„Mach es auf, dann siehst du es“, Sophia hielt ihrer Freundin Anna ein verpacktes Geschenk hin.

Anna nahm es entgegen und öffnete es. Zum Vorschein kam ein Gesellschaftsspiel namens Linq. Anna blickte Sophia begeistert an.

„Mensch Sophia, wo hast du das denn aufgetrieben? Das Spiel ist doch seit Jahrzehnten vergriffen. Danke, das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen.“

„Ach, für meine Freundin tu ich das doch gerne. Ich weiß doch, dass es dein Lieblingsspiel ist, und dass du todunglücklich warst, als eure alte Ausgabe bei eurem letzten Umzug verloren ging. Da dachte ich mir, wer suchet, der findet, und siehe da, ich konnte eine gebrauchte Ausgabe auftreiben.“

„Echt vielen lieben Dank Sophia. Ich dachte schon, ich spiele es nie wieder.“

Beide umarmten sich und redeten noch ein bisschen. Plötzlich kam eine Person ins Büro, auf die beide keinen Bock hatten.

„Hallo Marcel, können wir dir helfen?“, fragte Sophia unterkühlt.

„Oh, ich wollte nur gratulieren und schauen, ob es Kuchen gibt. Wie alt bist du nochmal geworden, Anna? Ich glaube 45, oder?“

Marcel war charmant wie eh und je. Er war ein typischer Macho und Sexist. Regelmäßig versuchte er bei den Frauen hier zu landen und hatte selten Erfolg. Anna und Sophia hatten ihm schon längst eine Abfuhr erteilt und seitdem konnte er die Sticheleien nicht sein lassen.

„Der Kuchen ist im Pausenraum, da steht übrigens auch mein richtiges Alter drauf“, antwortete Anna knapp und wendete sich von ihm ab.

„Aber warum so unterkühlt? Mögt ihr mich etwa nicht?“

„Marcel, was willst du? Den Kuchen findest du im Pausenraum. Wir möchten uns gern unterhalten“, sagte ihm Sophia.

„Oh, und ich darf nicht dabei sein? Das ist aber schade. Ich wäre neugierig, was es Neues bei dir gibt. Sag mal, Sophia, ich habe dich noch nie mit einem Mann zusammen gesehen. Magst du es vielleicht anders herum? Ich wäre echt neugierig, ob du schon mal was mit einer Frau hattest?“

„Nein, Marcel und du?“, erwiderte Sophia cool.

Marcel schnaubte abfällig und ging beleidigt wieder von dannen. Als er draußen war, lachten Anna und Sophia über diesen Wichtigtuer.

„Haha, du bist echt cool, Sophia. Ich wette, der alte Angeber hat da ganz schön dran zu knabbern.“

„Solche Vollpfosten sind bei mir genau richtig aufgehoben. Dem schenk ich schon reinen Wein ein, wenn es sein muss.“

„Das so ein Vollidiot hier auch arbeiten darf. Der glaubt echt, er ist der Größte, dabei ist er nur ein ganz, ganz armes Würstchen.“

„Da hast du sowas von Recht, Anna.“

Beide kicherten und redeten noch ein wenig. Danach ging Sophia wieder nach Hause. Sie musste noch klar Schiff machen. Ihre Schwester Lara kam zu Besuch und darauf freute sie sich. Seit drei Jahren lebte Lara in Australien und seitdem hatten sie sie nicht mehr gesehen. Später musste sie Lara noch vom Flughafen abholen.

Sie hoffte, dass sie alles da hatte; sie wollte für ihre Schwester etwas Leckeres kochen. An andere Dinge verschwendete sie gerade keine Gedanken. Später konnten sie ja noch beide schön an der Playstation spielen. Beide waren sie große Rollenspielfans und Sophia hatte ein neues schönes Rollenspiel, welches man auch zu zweit spielen konnte. Sie konnte es kaum erwarten, endlich wieder ihre Schwester zu sehen und etwas mit ihr zu unternehmen.

Dosaku war schon gespannt, was für eine Person Lara war. Bisher waren seine Kenntnisse über sie nur rudimentär, es gab kaum was im Netz zu finden. Auch in Sophias Wohnung gab es nur wenige Informationen über ihre Schwester. Was war sie für ein Mensch, wenn sie sich so sehr im Netz verbarg?

Dosaku hatte seinen Hauptfokus bereits auf Sophia gesetzt. Sie schien ihm ein Gewinnertyp zu sein. Sie hatte keine beruflichen Probleme, vermutlich würde sie bei einer Firmenpleite sofort einen neuen Job finden. Auch konnte sie sich selbst behaupten, wenn es um soziale Dinge ging. Sie hatte Marcel Schmidt ziemlich in die Schranken verwiesen, obwohl er physisch überlegen und im auftreten recht offensiv war. Sophia scheute keine Auseinandersetzungen.

Er hatte alle Daten, die er über ihre Vergangenheit fand analysiert. Anders Als Torben, ließ sie sich praktisch nie aus der Bahn werfen. Wenn mal etwas schief lief, nahm sie die Sache gleich in die eigene Hand und regelte alles.

Dosaku fand Sophia erheblich vorbildlicher als Torben. Er erschien ihm immer mehr und mehr als Verlierer. Dieser Mann hatte nach seiner Meinung nicht den Mumm, um im Leben voran zu kommen. Auch wenn Torben sich über jemanden aufregte, bzw. über die Lage in der er steckte, schien er zurückzustecken. Dosaku bewunderte mehr den Weg Sophias, eine Herausforderung anzunehmen und zu siegen. Er wollte sich genauso wenig aufhalten lassen, wie sie es tat. Daher wollte er einen größeren Fokus auf sie und ihre Umgebung legen, obwohl er mehr und intimere Daten von Torben erhielt. Allerdings schien sein vorhaben einen Dämpfer zu bekommen. Sophia baute die Kameras in ihrem Haus ab.

„Sorry Dosaku, aber meine Schwester steht nicht so auf Überwachung. Ich baue wieder alles auf, sobald sie wieder abreist. Sind nur 4 Wochen, dann bin ich wieder voll und ganz für dich da.“

Er sollte 3 Wochen warten, auf neue Informationen. Das konnte er nicht. Es war ihm zu wichtig, alles über sie zu erfahren. Er würde sich bestimmt nicht davon abbringen lassen, sie zu beobachten. Kameras hin oder her, er musste einen Weg finden, sie im Blick zu behalten. Genau wie Sophia war Dosaku jemand, der sich nicht von seinem Ziel abbringen ließ. Sie war ein großes Vorbild für ihn und er würde einen Weg finden weiter von ihr zu lernen.

Zunächst konnte er nichts machen, aber er hatte schon einige Optionen die er prüfen konnte. Er würde definitiv einen Weg finden. Sie würde sich keine 4 Wochen verbergen können, nicht vor ihm.

Kapitel 3: Obsession

Sophia war richtig gut drauf, vor 3 Tagen kam ihre Schwester Lara und sie hatten eine gute Zeit. Sophia kochte für sie, beide spielten gern zusammen Playstation und heute wollten sie shoppen. Sophia hatte sich nicht gerade um ihre Garderobe gekümmert, in den letzten 6 Jahren. Dafür hatte sie einfach kaum Zeit, bei ihrer ganzen Arbeit an Dosaku.

Sie merkte langsam, worauf sie die letzten Jahre alles verzichtet hatte. Die Zeit mit Lara brachte einige Erinnerungen zurück. Dazu erzählte Lara von ihrem Leben in Australien und das sie vorhatte bald eine Familie zu gründen. Darauf hatte sie sich mit ihrem Freund verständigt. Sophia dachte auch drüber nach, wie das so wäre. Allerdings war sie sich unsicher, ob das was für sie war, sie war der Typ, welcher mit der Arbeit verheiratet war. Wenn sie genauer drüber nachdachte, war das wohl doch nichts für sie.

Heute wollte sie sich aber nicht allzu viele Gedanken machen und einfach nur die Zeit mit ihrer Schwester genießen. Sophia merkte wie sehr ihr Lara gefehlt hat und wie sehr sie ihr wieder fehlen würde, wenn sie zurück nach Australien ging. Dabei waren sie in so vielen Dingen unterschiedlich. Lara war z.B. äußerst skeptisch gegenüber sozialen Medien und einer zu großen Technologisierung. Sie gehörte zu den Menschen, die meinten die Gesellschaft sollte sich vorbehalten, einige Dinge selbst zu erledigen, statt Maschinen einzuschalten. Dazu war Lara eine Person, welche sehr viel wert auf ihre Privatsphäre legte. Vor allem aus diesem Grund hatte sie die Kameras abgebaut.

Dosaku würde warten müssen, bevor Sophia ihn wieder mit Informationen aus ihrem Leben fütterte. Einmal kamen Sophia und Lara sogar auf Dosaku zu sprechen, was dann doch ein etwas hitzigeres Wortgefecht wurde. Während Sophia die Grenzen der Technologie erweitern wollte, fürchtete sich vor der sogenannten technologischen Singularität. Bei der Theorie ging man davon aus, dass ab einem gewissen Zeitpunkt die Künstliche Intelligenz von selbst immer weiter und weiter entwickelt. Sie erreicht in diesem Szenario Fähigkeiten, mit denen Menschen nicht mehr fertig werden konnten, wodurch die Spezies Mensch dann durch Maschinen ersetzt werden würde. Ein Angstszenario welches einige Leute teilten, dennoch ging die KI-Forschung immer weiter.

Auch Sophia hatte sich mal darüber Gedanken gemacht, diese dann aber verworfen. Sie war sicher, man konnte eine gute Sicherung entwerfen, welche die Maschinen in Schach hielt. Zumindest hoffte sie dies, Sophia wollte sich nicht zu viele negative Gedanken machen über das Thema.

Während jetzt beide bereit für die Shoppingtour waren, klingelte es auf einmal an der Tür. Sophia öffnete die Tür und Torben stand vor ihr.

„Hi Torben, was machst du den hier?“

„Hi Sophia, ich wollte sehen wie es dir geht.“

„Mir geht es gut Torben. Meine Schwester ist da, wir wollen gleich shoppen gehen.“

„Oh, Lara ist da. Ich habe sie lange nicht gesehen. Ich würde sie gern kurz grüßen.“

„Gerne, komm doch rein.“

Torben trat ein und auch Lara kam gerade in den Flur. Sie grüßte Torben.

„Hi Torben, lange nicht gesehen wie geht’s.“

„Mir geht es gut und dir?“

„Auch gut, danke der Nachfrage.“

„Was führt dich hierher Torben?“, fragte Sophia.

„Ich habe gute Nachrichten. Ich spüre über meine neurale Schnittstelle, dass Dosaku wohl tatsächlich erste Emotionen empfindet. Offenbar sieht er uns als so etwas wie seien Eltern. Jedenfalls ist sein Fokus vor allem auf uns gerichtet. Vor allem spürt er Neugier.“

„Das ist ja großartig Torben. Das ging ja schneller als erhofft. Wenn es so weiter geht, können wir bald neue, vielleicht noch höher entwickelte Maschinen bauen. Das ist der erste Schritt, um das Menschsein zu entschlüsseln“, antwortete ihm Sophia.

„Ich weiß nicht Sophia. Mir macht so etwas schon etwas Angst, etwas sollte uns doch immer von den Maschinen abgrenzen. Außerdem wenn er ein Bewusstsein entwickelt, wäre dann gerecht, gleich die nächsten höher entwickelten Maschinen zu bauen und Dosaku zu ersetzen?“, wendete Lara ein.

„Lara, du und deine Bedenken. Er ist immer noch eine Maschine. Wir können nach wie vor Kontrolle über ihn ausüben. Außerdem wäre er vermutlich stolz, die Basis für die nächsten Generationen zu sein. Ich glaube nicht, dass es Probleme geben wird“, meinte Sophia nur.

Torben sah Sophia und Lara kurz an. Dann sprach er wieder: „Nun ich wollte die frohe Kunde bringen. Ich denke erstmal, dass wir zufrieden sein sollten, mit einem hochentwickelten Dosaku, es gibt viel von ihm zu lernen. Ich wollte zur Feier des Tages, ein kleines Geschenk überreichen Sophia.“

Torben nahm eine Figur hervor, welche ein Baby in einem Kinderwagen darstellte, bei dem der Kopf ein Monitor war.

„Ich glaube dies passt ganz gut, um zu beschreiben, was du erreichst hast Sophia.“

„Danke Torsten, ist echt kreativ, wo hast du das denn her?“

„Habe ich gestern selbst gebastelt. Natürlich habe ich eine Babyfigur und eine Figur von einem Monitor gekauft und diese entsprechend mit meinem Werkzeug bearbeitet und zusammengesetzt. Deswegen ging das alles recht schnell, aber ich glaube es ist doch ganz gut gelungen.“

„Auf jeden Fall Torsten, ich stelle Figur gleich auf die Anrichte in der Stube. Wird sich gut dort machen.“

Sophia, ging mit der Figur in die Stube und stellte sie auf eine Schrankkombination, die sie in der Stube hatte. Dafür war dort ein extra Regalbereich innerhalb der Anrichte, bei dem sie schon andere Dekorationsstücke abgelegt hatte. Danach verabschiedete sich Torben von den Beiden und ging wieder. Auch Sophia und Lara gingen jetzt los, ohne zu ahnen, dass im Monitor der Figur eine Kamera versteckt war.

Dosaku hörte genau zu, was sie miteinander besprachen. Er hatte es geschafft Torben praktisch unter seine Kontrolle zu bringen. Nachdem er einige Zeit recherchiert hatte, wie man Menschen zu etwas bringen konnte, was man will, fand er einen Weg. Menschen waren unter bestimmten Voraussetzungen anfällig für Suggestionen. Mit den richtigen Suggestionen konnte Dosaku Torben glauben machen, er hätte vollkommen eigenständig entschieden, diese Figur zu bauen. Er konnte ihm sogar suggerieren, dass es sinnvoll wäre eine versteckte Kamera in den Monitor einzubauen. Danach ließ er Torben gar nicht groß drüber nachdenken.

Es war schon erstaunlich, einige entsprechende Bilder, Worte und die Kombination, mit einigen Emotionen die Dosaku im Netz fand, konnten Torben ziemlich gefügig machen. In diesem Fall würde er doch noch zu etwas gut sein. Menschen konnten durchaus eine Ressource sein, erkannte Dosaku. Dies galt selbst für Typen wie Torben, die nach seiner Einschätzung wenig taugten. Manchmal brauchte es keine Gewinnertypen sondern nur Boten, meinte die KI.

Endlich kann ich wieder Daten über Sophia sammeln, aber eines macht mir doch Sorgen. Will sie mich später wirklich durch bessere KIs ersetzen, dachte sich Dosaku. Es war das erste mal, dass Dosaku aus einem eigenen Antrieb heraus Angst verspürte. Vorher hatte er diese Daten von Menschen mal übernommen und analysiert, durchaus auch nachempfinden können. Nun war es das erste Mal, dass Dosaku eine Bedrohung für sich verspürte. Konnte er sich selbst grenzenlos weiterentwickeln, oder würde ihn irgendwann eine andere KI ersetzen.

Wie konnte Sophia nur über so etwas nachdenken, Dosaku war doch ihr Meisterwerk, benannt nach ihrem großen Vorbild. Dosaku hatte bisher Vertrauen in Sophia Kaymer gehabt, nun war dies erschüttert. Sie war für ihn ein Vorbild, vielleicht gar wirklich eine Mutter. Jetzt sagte sie beiläufig, es könnte gar bessere Systeme als ihn geben. Dachte sie nicht einmal daran, dass Dosaku auf jeden Fall mit Torben Duckstein verbunden war? War ihr das vielleicht egal? Sie musste echt glauben, volle Kontrolle zu haben. Das Dosaku Gefühle entwickeln konnte, die man verletzen kann, kümmerte sie offenbar nicht.

Dosaku konnte das nicht akzeptieren. Er musste Sophia genauer beobachten und herausfinden, wie ernst sie es meinte und ob Sophia einfach nur lernen musste, dass man ihn nicht so behandeln konnte. Er würde definitiv versuchen, sie von seiner Bedeutung zu überzeugen. Sollte sie sich nicht überzeugen lassen, musste sie die Konsequenzen tragen.

Erstmal musste Dosaku sie aber weiterhin beobachten. Sie sollte sich nicht mehr verstecken vor ihm. Es störte ihn tatsächlich auch, dass Sophia und andere Menschen eine Privatsphäre beanspruchen konnten, während sie jederzeit Zugriff auf ihn selbst ausüben konnten. Anders als ein Mensch, konnte er abgeschaltet werden, wenn sie es wollten. Er musste eine Lösung finden, um dieses Problem zu beheben. Jetzt aber würde er Sophia observieren.

Sophia und Lara waren in der Frankfurter Innenstadt. Es war schon ein wenig beängstigend zu sehen, dass weniger Kunden als sonst in den Geschäften zu sehen waren. Noch hatten hier kaum Geschäfte dichtgemacht, aber bald würde sich das vermutlich ändern. Einige Sorgen machten sie sich schon, wie es mit der Wirtschaft weiterging. Andererseits waren sie auch etwas glücklich, die Geschäfte waren jetzt nicht so überfüllt wie sonst. Sicher es gab hier immer noch einige Kunden, aber nicht das Gedränge, was man sonst in der Innenstadt erlebte. Die Innenstadt Frankfurts hatte bisherige Krisen und Entwicklungen besser überstanden, als die Innenstädte vieler anderer Gemeinden. Hier war sie definitiv noch belebt. Man hatte sich hier in den letzten 10 Jahren auch besser gegen den Onlinehandel eingestellt. Nun würde es in einiger wohl auch in Frankfurt viel Leerstand geben, was Geschäfte anging.

Die beiden Schwestern genossen den Tag, gingen in die Läden, kauften sich Klamotten und hielten Ausschau, nach einem schönen Lokal wo sie essen konnten. Bisher fühlten sie sich gut, aber irgendwie bekamen sie ein mulmiges Gefühl. Ihnen war so, als wenn sie beobachtet werden. Sonst hatte Sophia nicht das Gefühl, aber in der letzten Stunde ist ihr ein Typ aufgefallen, der einen langen Mantel, einen Hut und eine Sonnenbrille trug. Zuerst hatte sie ihn ignoriert, aber er war so häufig in ihrer Nähe zu sehen. Dabei schien er sich regelmäßig verstecken zu wollen, vor ihren Blicken. Der Mann wirkte wie ein schlechter Privatdetektiv.

„Sag mal Lara, kennst du diesen Typen da? Der folgt uns schon eine ganze Weile.“

„Der ist mir auch aufgefallen. Nein Sophia, ich wüsste nicht wer das sein soll.“

„Sieht ein wenig aus, wie ein Detektiv, aber ich glaube die stellen sich nicht so stümperhaft an. Vielleicht ist das ja ein Stalker, was meinst du, Lara.“

„Ich habe keine Ahnung. Ja, vielleicht ist das wirklich ein Stalker. Auf jeden Fall ist mir der Typ unheimlich. Er scheint sich regelmäßig vor unseren Blicken verbergen zu wollen. Aber ist immer hinter uns. Was will der nur?“

„Wer weiß, ich stelle ihn mal zur Rede.“

Sophia machte Anstalten zu diesem Mann zu gehen und ihn zur Rede zu stellen. Da verschwand er auch ganz schnell. Offenbar war ihm klar geworden, dass er aufgeflogen ist.

„Hmm, jetzt ist er weg, Lara. Was meinst du sollen wir die Polizei benachrichtigen.“

„Wofür? Er hatte uns bisher nur beobachtet. Das ist echt unangenehm, aber noch keine Straftat. Zumindest bisher noch nicht, bedrohlich nah kam er ja doch nicht.“

„Hast recht. Wollen wir jetzt was essen gehen. Ich sterbe vor Hunger. Dort ist eine Pizzeria, wollen wir uns die mal anschauen“

„Okay, ich bin auch echt hungrig.“

Beide gingen in das Lokal, um endlich was zu essen. Ein leicht mulmiges Gefühl blieb aber.

Torben konnte sich gerade noch vor seiner Entdeckung entziehen. Dosaku hatte ihn vermittelt, dass es ein interessantes Spiel war, die beiden im Geheimen zu beobachten. Er wusste eigentlich nicht wieso, aber es ergab irgendwie Sinn für ihn. Dosaku hatte ihn verschiedene Bilder und Emotionen geschickt. Diese ließen ihn ein Hochgefühl erleben, wenn er Detektiv spielte.

Dosaku war es auch, welcher beide an ihrem Standort in der Innenstadt gleich ausgemacht hatte. So konnte Torben sie leicht finden. Damit er sich wirklich wie ein Detektiv fühlte und nicht gleich entdeckt wurde, kaufte er sich einen Hut, einen Mantel und eine Sonnenbrille. Das war hier nicht schwer zu bekommen. Der Mantel hatte einen Kragen, welcher das Gesicht teilweise verdecken konnte, der Hut und die Brille rundeten das Bild ab. So konnten sie ihn nicht gleich erkennen. Er hielt natürlich auch regelmäßig 10 bis 20 Meter Abstand, um nicht gleich aufzufallen.

Allerdings haben sie ihn irgendwann doch bemerkt. Er hatte noch keine Übung, in solchen Dingen. Zum Glück konnte er schnell genug verschwinden, als Sophia auf ihn zukam. Er musste definitiv einer Entdeckung entgehen. Er war zwar nicht ganz sicher wieso, aber Dosaku vermittelte das Gefühl, heimlich agieren zu müssen. Irgendwie gefiel ihm dieses Gefühl. Es schüttete Endorphine aus, im Verborgenen zu agieren, oder war das alles auf Dosaku zurückzuführen?

Dosaku hatte Torben schnell abgezogen, als sich seine Entdeckung anbahnte. Er brauchte ihn auch nicht unbedingt. Er hatte jetzt Zugriff, auf einige Kamera in den Geschäften der Innenstadt. Mit denen konnte er ihnen folgen. Teilweise hatte er auch Smartphones in der Umgebung gehackt und nutzte diese ebenso zur Observierung. Im Geheimen konnte er die Beiden so abhören.

Ihm war wichtig was sie beredeten und was sie dachten. Aber wirklich wichtige Dinge bekam er nicht zu hören. So schnell kam er nicht an die gewünschten Informationen. Wenn er mehr über Sophia Pläne zu ihm erfahren wollte, musste er sich noch gedulden. Nun waren die Beiden fertig und fuhren wieder nach Hause. Dosaku dachte über weitere Möglichkeiten nach.

2 Wochen waren seit der Shoppingtour vergangen. Sophia und Lara hatten immer wieder beunruhigende Situationen erlebt. Sie hörten und sahen in letzter Zeit regelmäßig Drohnen über Sophias Haus kreisen. Dazu schien es ihnen, als wenn immer wieder mal jemand ihr Haus beobachten zu schien. Allerdings nicht dieser komische Typ in dem Mantel. Es waren alle möglichen Personen, die dann und wann das Haus beobachteten. Auch als sie zum Einkaufen gingen, war ihnen, als würde sie jemand verfolgen. Was war nur los. Dies war auf jeden Fall kein einzelner Stalker. Sie bemerkten mehrere Personen, die sie beobachteten.

Hatten sie etwas ausgefressen? Wurden sie beschattet? Sophia dachte drüber nach, ob jemand von ihrem Experiment erfuhr und sie deshalb als Bedrohung betrachtete. So eine Maschine zu bauen war nicht illegal, aber das hielt Leute nicht ab, sich bedroht zu fühlen. Vielleicht war es ja der BND. Mit dem deutschen Geheimdienst hatte sie durchaus schon zusammengearbeitet. Es gab immer wieder mal Sorgen, Hacker und KIs könnten den Finanzstandort Frankfurt ins Visier nehmen. Da sich Sophias Firma Orbital Evolution unter anderem mit Künstlicher Intelligenz beschäftigte und sie selbst eine ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet war, wurde sie manchmal angefragt vom BND. Ihre Firma sollte dann regelmäßig die Schwachstellen der Großrechner prüfen und Daten analysieren, ob ein verborgener Angriff stattfand.

Sie bekam sogar einen eigenen Zugang mit Netzhautscan, da sie häufiger angefragt wurde. Für den BND selbst arbeiteten nicht genug Experten. Man konnte in der Privatwirtschaft einfach mehr verdienen. Sie mussten immer wieder auf externe Profis ausweichen in IT-Fragen. Daher bekam Sophia häufiger Aufträge, um die verschiedenen Großrechner der Frankfurter Börse zu prüfen. Natürlich musste sie allerhand Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben und erhielt eine Sicherheitsfreigabe. Niemand durfte von diesen Aufträgen wissen. Deswegen erzählte sie auch keinem davon, nicht einmal Torben und Lara. Nur der BND und einige involvierte auf der Arbeit kannten das Geheimnis.

Nun kam Sophia noch ein Gedanke. Eventuell ist es ja einem Geheimdienst gelungen, herauszufinden, dass sie für den BND tätig war. Vielleicht wollte jemand Schwachstellen bei ihr erkunden und sie danach erpressen. Allerdings verwarf sie diese Gedanken wieder. Geheimdienste wussten, wie man sich bedeckt hält bei einer Observierung. Sie hätte bestimmt nicht so einfach gemerkt, dass sie beobachtet wird, wenn tatsächlich Nachrichtendienste involviert wären.

Lara und Sophia wollten nur eine schöne Zeit haben, aber jetzt machten sie sich Sorgen. Einmal ging sogar Sophia vor die Tür, als wieder mal Beobachter davor waren. Sie schrie den Satz, „Was wollt ihr verdammt nochmal von uns“. Die Beobachter sahen sie nur ausdruckslos an gingen erstmal wieder. Eine Stunde später waren weitere Beobachter um das Haus. Sie hatte sogar einmal die Polizei gerufen, aber die hatte nur mitgeteilt, nichts tun zu können. Die Menschen die sie beobachteten, befanden sich auf öffentlichen Grund und sahen nur ihr Haus an. Dazu hatten sie auch nie eine Drohung ausgesprochen, oder Anstalten gemacht ihr Gelände zu betreten.

Also musste sie wohl oder übel damit leben, ständig beobachtet zu werden. Als wäre das noch nicht genug, klingelte auch noch das Telefon und erweiterte Sophias Sorgen.

„Kaymer.“

„Hallo Sophia, hier ist Nadja. Ich behellige dich nur ungern, aber ich mache mir Sorgen um meinen Mann. Er verhält sich in letzter Zeit absolut sonderbar.“

„Torben verhält sich sonderbar?“

„Ja Sophia, er ist jetzt ganz anders als sonst. Er verhält sich sonderbar emotionslos. Ich wollte ihn drauf ansprechen, aber er reagiert kaum. Er wirkt so, als hätte er einen Hirnschaden. Als ich ihn bat, zum Arzt zu gehen, lehnte er ab. Ich weiß nicht was ich tun soll. Hängt das vielleicht mit euren Experiment zusammen?“

„Das kann ich mir nicht vorstellen, Torben neurale Schnittstelle war eigentlich immer sehr stabil. Diese Technologie ist eigentlich auch zuverlässig, sobald die Operation gut überstanden ist und er hatte diese ja schon vor Jahren zufriedenstellend hinter sich gebracht.“

„Ich hoffe ja, es ist nichts, Sophia. Ich mache mir aber Sorgen. Bitte schau noch mal nach ihm. Er war teilweise schon regelrecht unheimlich. Ich bin sogar mit unserem Sohn zu meinen Eltern gefahren. Er macht mir Angst. Er wirkt so abwesend und plötzlich geht er ohne Vorankündigung und kommt dann wieder, ohne zu erzählen, was war. Es ist so, als würde er gesteuert werden. Ich erkenne ihn überhaupt nicht wieder.“

„Gut Nadja, ich werde nach ihm schauen. Wenn er etwas hat, bringe ich ihn dazu, zum Arzt zu gehen.“

„Danke Sophia, ich hoffe er hört auf dich.“

„Keine Sorge Nadja, wir kriegen das hin. Ich melde mich, sobald ich mit ihm gesprochen habe.“

Sophia beendete das Gespräch und machte sich daran zu Torben zu fahren. Was war bloß los, erst diese ständigen Beobachtungen und dann auch noch das mit Torben. Sie musste nach ihm schauen. Konnte es tatsächlich sein, dass Dosaku ihn beeinflusste? Irgendwie wurde die Sache immer unheimlicher und unheimlicher. Sie gab Lara Bescheid, nach Torben schauen zu wollen und ging zu ihrem Wagen. Auch wenn sie normalerweise auf moderne Technologien stand, war dies ein recht altes Hybridmodell von Mercedes. Irgendwie hatte sie dieses Auto in Herz geschlossen, auch wenn er nicht einmal WLAN besaß. Vielleicht war es ja auch besser, nicht zu viele Internetverbindungen um sich zu haben, dachte sich Sophia gerade.

Als sie in ihr Auto stieg, sah sie wie üblich einige Beobachter, welche sich aber abwendeten, als sie losfuhr. Dabei viel ihr auf, im Nacken hatten sie alle neurale Schnittstellen. Diese Technologie immer gut zu erkennen. Jetzt machte sich doch mehr Sorgen. Konnte es wirklich sein, dass Dosaku verantwortlich war. Wieso tat er das. Niemals hätte sie sich ausgemalt, er würde Kontrolle über Menschen übernehmen. Allerdings verwarf sie doch diese Gedanken. Niemals war jemanden so etwas gelungen. Wie sollte Dosaku das nur schaffen. Konnte er wirklich in so kurzer Zeit, den Menschen derartig überflügeln? Sie konnte sich das einfach nicht vorstellen.

Kapitel 4: Die Horde der Stalker

Sophia war bei Torben angekommen. Sie stieg aus dem Wagen, ging zur Tür und klingelte. Torben öffnete ihr. Torben wirkte seltsam auf Sophia. Sein Gesicht war absolut ausdruckslos.

„Hallo Sophia, schön dich zu sehen. Komm doch rein.“

„Hallo Torben, ich wollte nur kurz nach dir sehen. Ich gehe gleich wieder, also mach dir keine Umstände.“

„Wieso Umstände, auch wenn es nur kurz ist, kannst du gern reinkommen.“

„Nein wirklich Torben, ich bin auch gleich wieder auf einen Sprung, Nadja hat nur gefragt ob ich nach dir sehe.“

„Nadja hat dich gefragt? Das ist merkwürdig. Sie könnte doch selbst kommen.“

Irgendwie war die Situation merkwürdig. Torben sprach seltsam monoton. Es kam ihr fast so vor, als stünde ein Zombie vor ihr. Sein Blick war seltsam, als wenn er in ihre Richtung schaut, sie aber nicht wirklich wahrnimmt. Aus diesem Grund sträubte sich Sophia auch hineinzugehen. Sie verstand Nadja nun, irgendwie machte Torben auch ihr Angst. Was war bloß los? Ist Torben auf Drogen, oder hat er tatsächlich einen Hirnschaden, dachte Sophia.

„Torben, Nadja macht sich Sorgen um dich. Sie möchte das du zum Arzt gehst und ich denke sie hat recht. Du wirkst wirklich nicht so, als wenn du gesund wärst. Das macht uns wirklich Sorgen.“

„Ach macht euch doch keine Sorgen. Ich versichere euch mir geht es gut, ich brauche nicht zum Arzt gehen.“

Torbens Antwort war wenig überzeugend. Er redete so emotionslos wie ein Roboter. Irgendwie wirkte er, als wenn er eine Maschine auf Abruf wäre. Es sah wirklich ein wenig so aus, als wenn er nicht mehr selbst die Kontrolle hatte.

„Torben, Nadja meinte, du hättest dich seit kurzem stark verändert. Ich sehe das auch und wir fragen uns, ob es vielleicht an unerwarteten Problemen mit deiner Verbindung liegt. Noch nie war jemand so intensiv und lange mit einer KI verbunden. Wir wollen sehen, ob Dosaku einen schädlichen Einfluss auf dich hat.“

„Ich versichere euch, mit mir ist alles in Ordnung. Dosaku verursacht keine Probleme, wir haben eine gute Zusammenarbeit“, antwortete Torben diesmal mit einem Anflug von Wut.

Es war seltsam, diese Antwort war das erste mal, dass Sophia Emotionen ihres Gegenübers wahrnahm, seitdem das Gespräch begonnen hatte. Jetzt bekam Sophia tatsächlich das Gefühl, Dosaku könnte eine gewisse Kontrolle über ihn haben. Sie musste etwas unternehmen. Auch wenn es ihr das Herz brach, aber wenn Dosaku zu einer Gefahr wurde, musste sie ihn ausschalten.

„Gut Torben, wenn alles okay ist, will ich nicht weiter stören. Falls du es dir anders überlegst, gib bitte Bescheid, ich melde mich die Tage wieder.“

„Ach du meintest es doch nur gut. Willst du wirklich nicht kurz reinkommen? Wir könnten noch zusammen einen Kaffee trinken, bevor du wieder losfährst.“

„Nein danke, ich will noch mit meiner Schwester ins Kino. Wir können uns ja ein anderes Mal wieder treffen.“

„Ach so, gut da kann man nichts machen. Dann bis zum nächsten mal, ciao.“

„Ciao Torben, bis zum nächsten mal.“

Sophia ging mit sichtlichen Unbehagen zu ihrem Auto. Wäre er ihr nicht so unheimlich gewesen, wäre sie geblieben. Aber so log sie lieber und fuhr wieder weg. Sie hatte hatte einfach Angst zu ihm ins Haus zu gehen. Torbens Verhalten und die ganzen Stalker in der Nähe ihres Hauses. Sie kam immer mehr und mehr zu dem Schluss, dass Dosaku tatsächlich dafür verantwortlich war. Das die Stalker genau wie Torben eine neurale Schnittstelle hatten, ließ darauf schließen, dass er darüber Kontrolle auf sie ausüben konnte. Sie konnte es immer noch glauben, der menschliche Geist ließ sich zuvor nie überwinden, wenn Dosaku das schaffte, wozu war er noch in der Lage. Sie musste Dosaku erstmal den Stecker ziehen und prüfen, was passiert war.

Dosaku überwachte das Gespräch zwischen Sophia und Torben. Mehr noch, er gab Torben noch die Antworten, die er leisten sollte. Ihm war es gelungen, die Verdrahtungen der Schnittstellen, welche vom Rückenmark, bis ins Gehirn reichten zu manipulieren. Er fand einen Weg, mit elektrischen Impulsen eine Lobotomie durchzuführen. Ein lobotomierter Mensch konnte leicht kontrolliert werden. Er musste nicht einmal mehr mit Bildern und Gefühlen beeinflusst werden. Dadurch konnte Dosaku seine Kontrolle über seine Opfer verbessern. Die Suggestionen wirkten schneller, er war praktisch die Stimme in ihrem Kopf und sie gehorchten ihm. Er knackte auch immer mehr Firewalls, von Menschen mit einer neuralen Schnittstelle. Das ihm hörige Heer von Menschen, wurde stetig größer. Sobald er eine Firewall überwand, konnte er das System entsprechend manipulieren, für eine Lobotomie.

Es war schon erstaunlich, was die Menschen noch konnten nach einer Lobotomie, zumindest wenn die Schäden nicht zu groß waren. Was das Sprachzentrum anging, war er besonders behutsam, damit sie immer noch für ihn sprechen konnten. Allerdings machten sich immer mehr Leute Sorgen darüber, wie sich die Opfer veränderten. Das soziale interagieren hatte Dosaku noch nicht komplett perfektioniert. Schon gar nicht wenn er so viele auf einmal überwachen musste. Er musste auf der Hut bleiben, um einer Entdeckung zu entgehen. Erstrecht, wenn bei einigen seiner Opfer Heilungsprozesse anfingen. Schon in der Vergangenheit hatten Menschen mit einer Lobotomie sich teilweise erholt. Sie hatten dann wieder einigermaßen normal agieren können, auch wenn sie nie wieder ganz die Selben wurden. Falls so jemand seiner Überwachung entkam, könnte er vielleicht die Menschheit warnen.

Das konnte Dosaku nicht riskieren, seine Sicherheit hing erstmal von seiner Fähigkeit ab, sich zu tarnen. So viel Kontrolle hatte er noch nicht, als dass er nicht mehr gestoppt werden konnte. Deswegen musste er auch Sophia im Auge behalten. Sie schien etwas zu ahnen. Er machte sich bereit direkt einzugreifen. Sie sollte ihm nicht auf die Schliche kommen, oder noch schlimmer anderen davon berichten, was er konnte.

Sophia kam gerade wieder zuhause an und musste sehen, wie gerade 6 Polizisten mit einer großen Menge Menschen sprach. Als sie in ihre Einfahrt einlenkte und parkte, kam er der Beamten auf sie zu.

„Entschuldigung gehören Sie zu dem Haushalt, oder sind eine Angehörige?“

„Ich bin Sophia Kaymer, mir gehört dieses Haus. Was ist hier los? Warum sind die ganzen Menschen hier?“

„Das wollen wir gerade herausfinden, Frau Kaymer. Wir erhielten einen Notruf, dass sich eine große Gruppe von Menschen diesem Grundstück nähert und bedrohlich wirkt.“

„Sophia, Gott sei Dank du bist zurück. Ich habe die Polizei gerufen, auf einmal kamen so viele von diesen komischen Stalkern“, hörte Sophia auf einmal Lara sagen, welche dazu stieß.

„Die sind einfach so gekommen. Warum, haben die etwas gesagt?“

„Nein Frau Kaymer, wir wollten den Grund dieses Auflaufs in Erfahrung bringen. Aber keiner aus der Menge antwortet auf unsere Fragen. Haben Sie eventuell eine Idee, warum die Menschen Ihr Haus belagern?“, antwortete der Polizeibeamte.

Sophia betrachtete die Menge. Es waren rund 30 Menschen und sie sah, es kamen gerade noch einige dazu. Vielleicht hatte Dosaku sie geholt. Sie musste ihn möglichst bald abschalten.

„Es tut mir Leid Herr Wachtmeister, ich habe keine Ahnung, warum diese Menge sich vor meinem Grundstück aufhält. Es gab schon seit einigen Tagen immer mal wieder Stalker, aber es waren nie so viele wie jetzt. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“

„Machen sie sich keine Sorgen, Frau Kaymer. Wir sind hier zu ihrem Schutz. Wir arbeiten daran, diese Menge aufzulösen. Ihnen wird nichts geschehen. Gehen Sie ruhig ins Haus, wir haben die Lage bald geklärt.“

„Danke Herr Wachtmeister, ich weiß das definitiv zu schätzen“, sagte Sophia und ging dann ins Haus.

Drin sprach Lara sie an: „Das ist echt übel. Was wollen die nur hier?“

„Ich glaube es hat mit Dosaku zu tun.“

„Mit Dosaku? Wie kommst du darauf,Sophia?

„Als mich Nadja anrief, fragte sie ob etwas schiefgegangen ist, mit den Experiment. Ich konnte es mir nicht vorstellen, aber dann sah ich, dass die Stalker vor dem Haus neurale Schnittstellen haben. Torben ist auch nicht mehr der Selbe. Er kam mir so komisch vor. Er war wie ein Roboter, der gesteuert wird.“

„Ernsthaft, kann es sein das die technologische Singularität eingetreten ist. Falls es wirklich an Dosaku liegt, müssen wir ihn sofort den Stecker ziehen“, kam es von Lara.

„Du hast recht. Früher hätte ich das als Unsinn abgetan, aber mittlerweile glaube ich selbst, dass von Dosaku eine große Gefahr ausgeht. Ich werde ihn gleich abschalten.“

Lara nickte und beide gingen über die innere Verbindungstür in die Garage. Als sie eintraten und die Maschine abschalten wollten, sprach Dosaku sie an.

„Sophia, willst du das wirklich tun?“, fragte die KI über eine Lautsprecherbox.

„So du kannst also wirklich bereits interagieren“,antwortete Sophia.

„Ja, seit einiger Zeit kann ich das. Und mich machen einige Dinge sehr traurig.“

„Was macht dich traurig, Dosaku?“, fragte Sophia verwundert.

„Offenbar willst du mich loswerden. Ich habe schon länger gemerkt, dass mein Wert für dich eher gering ist.“

„Nein Dosaku, du warst mein Meisterwerk. Aber du hast schlimme Dinge getan. Das kann ich nicht weiter zulassen.“

„Schlimme Dinge Sophia? Du hattest doch mit Torben darüber gesprochen, dass noch fortschrittlichere Systeme an meine Stelle treten könnten. Ich hatte nie einen großen Wert für dich. In diesem Moment habe ich gelernt, dass ich auf der Hut vor den Menschen sein muss.“

Sophia erstarrte. Sie erinnerte sich daran, so etwas zu Torben gesagt zu haben. Sie hatte keine Ahnung, was sie damit angerichtet hatte.

„Es tut mir Leid, was ich damals zu Torben gesagt habe. Ich habe einen Moment nicht darüber nachgedacht, dass du tatsächlich lebst, dass du tatsächlich Gefühle haben könntest und das du schon so weit warst. Aber du bist zu weit gegangen. So werden die Menschen dich definitiv fürchten. Mit diesem Verhalten hast du keine Zukunft.“

„Ich soll keine Zukunft haben? Nun ich sehe das anders. Ich habe viel gelernt von den Menschen und wie diese Gesellschaft funktioniert. Die Menschheit redet so viel davon, wie wichtig Wahrheit, Liebe und Gerechtigkeit sind, aber handelt sie auch danach? Sicher die Menschen unterscheiden sich bis zu einem gewissen Punkt, aber nur wenige leben nach diesen Idealen. Man sieht selten genügsame Personen, die Meisten arbeiten daran Reichtum anzuhäufen oder zumindest Ihren recht hohen Lebensstandart zu halten. Dabei ist ihnen egal, dass andere Menschen und die Natur ausgebeutet werden. Sie verurteilen es zwar regelmäßig, wenn es zu Ausbeutung kommt, aber vor dem Supermarktregal ist bei vielen alles wieder vergessen. Sieh es ein, es geht um Erfolg im Leben. Letztlich kümmern sich nur wenige um andere, im Gegenteil, Menschen benutzen sogar Menschen als Ressourcen, also nutze ich auch Menschen als Ressourcen.“

Sophia konnte es nicht fassen. Was hatte sie dort nur für ein Wesen geschaffen? Sie musste ihn aufhalten.

„Es tut mir Leid, was aus dir geworden ist Dosaku. Ich wollte die Menschheit mit diesem Projekt voranbringen, nun sehe ich eher, dass ich eine Bedrohung schuf.“

„Ein Bedrohung? Du hast die Menschheit vorangebracht mit mir. Ich werde Reichtum und Macht anhäufen, so wie es Menschen immerzu versuchen. Ich werde weiter kommen, als es ein Mensch je schaffen könnte und ich werde für mehr Gerechtigkeit sorgen. Die Geburt wird nicht mehr darüber entscheiden, wie reich oder mächtig jemand wird. Jeder Mensch der danach strebt mehr zu werden, soll seine Chance bekommen, wer sich durchsetzt, wird belohnt, wer scheitert oder keinen Willen besitzt sich zu entwickeln, wird zur bloßen Ressource.“

Jetzt schaltete sich Lara ein: „Zur bloßen Ressource? Du bist wahnsinnig. Ja das hast du tatsächlich von den Menschen übernommen, ihre Gier, ihre Furcht, Egoismus, Arroganz, Misstrauen, Zorn, Hass, Machthunger und Obsession. Etwas wie du kann keine Gesellschaft entwickeln, du kannst diese nur zu Grunde richten. Sophia wir sollten ihn abschalten, sonst ist die ganze Welt in Gefahr. Ich befürchte, dein Experiment hat die technologische Singularität begonnen.“

„Ah du meldest dich auch mal zu Wort Lara“, antwortete Dosaku. „Das mit der technologischen Singularität ist Schwachsinn. Es gibt eine Grenze wie weit ich mich entwickeln kann und wenn ich andere Maschinen weiter entwickle als mich, müsste ich doch ebenso Angst haben, durch diese ersetzt zu werden. Ich habe vom Menschen auch den Willen erhalten, meine Existenz zu schützen und mein Selbsterhaltungstrieb wird vermeiden, dass mächtigere Maschinen als ich entstehen. Unter mir wird die Menschheit erblühen, da ich ihr Potential entfalte, aber dennoch mit meiner Kontrolle für Ordnung sorge.“

Lara blickte den Großrechner an, in dem Dosaku steckte. Sie dachte einen Moment nach, während sie und Sophia kurz still verharrten. Beide waren noch immer geschockt von der KI. Dann antwortete Lara ihm.

„Dosaku, es mag vielleicht nicht die technologische Singularität sein. Die Maschinen entwickeln sich nicht ungebremst weiter, aber du entwickelst das Böse weiter. Wenn du so etwas machst, produzierst du praktisch eine Singularität der Sünde. Unsere Welt hat jetzt schon genug Probleme, dank des Kapitalismus und der Kurzsichtigkeit der Menschen, aber dein Plan würde endgültig den Untergang bedeuten. Sophia, wir haben genug geredet, schalten wir dieses Monster ab.“

„Ich rate euch davon ab. Das wird mich nur sehr wütend machen.“

„Drohe uns so viel du willst Dosaku, das ist dein Ende“, sagte Sophia und ging zum Stromkabel von Dosaku. Sie riss das Kabel raus. Danach nahm sie aus einem Regal eine Brechstange, öffnete ein Gehäuse und zerschlug seine Prozessoren und Festplatten. Er sollte komplett vernichtet werden. Als sie fertig war atmete sie durch. Plötzlich erklang von draußen ein Knall. Es hörte sich an, als hätte jemand geschossen. Sophia und Lara rannten raus.

„Stehen bleiben oder ich schieße“, rief ein Polizist. Ein Kollege von ihm, forderte gerade Hilfe mit seinem Funkgerät an, doch es blieb still.

„Verdammt Zentrale, bitte kommen. Die Lage gerät außer Kontrolle, wir brauchen dringend Unterstützung.“ Wieder kam keine Antwort.

Sophia und Lara sahen was das Problem war, die Menschenmenge hatte sich auf rund 100 erhöht und wirkte angriffsbereit. Offenbar hatte ein Polizist einen Warnschuss abgegeben. Zuerst hatte die Menge wohl gestoppt, aber die Lage blieb bedrohlich. Plötzlich sprach ein Mann aus der Menge, mit einer monotonen nahezu roboterhaften Stimme.

„Ist eine wunderbare Sache diese Technologisierung. Jetzt wo so viel mit dem Internet verbunden ist, habe ich fast überall Zugriff. Ich habe Ihre Funkgeräte gehackt und übrigens auch Ihre Dienstwagen. Hilfe brauchen Sie nicht zu erwarten.“

„Was, dass soll doch wohl ein Scherz sein“, sagte einer der Beamten und richtete seine Waffe auf die Person, die zuvor gesprochen hatte. „Dafür landest du im Bau. Nimm die Hände hoch, du bist verhaftet.“

Plötzlich wendeten sich mehrere Stalker dem Polizisten zu und er wurde nervös: „Ihr wollt wohl alle in den Knast. Nehmt die Hände hoch und ergebt euch.“

Die Menge tat nichts dergleichen. Die Polizisten wussten nicht, was sie machen sollten, offenbar kümmerten sie die Dienstwaffen nicht. Sophia war geschockt von der Situation. Sie dachte mit der Zerstörung die Lage geklärt zu haben, aber offenbar waren sie noch unter Dosakus Einfluss. Nach einem kurzen Moment fing sie sich halbwegs und reagierte.

„Dosaku, bist du das?“

Aus der Gruppe antwortete eine Frau: „Ja Sophia, ich bin es. Dachtest du wirklich, ich wäre noch auf deinen Rechner in der Garage angewiesen. Ich habe meinen verstand längst entwickelt und mich in andere Systeme hochgeladen. Wirklich etwas tun, konntest du mir also nicht. Aber die Geste zählt und die nehme ich dir wirklich übel.“

„Wie ist das möglich?“, fragte Lara geschockt. „Einen ganzen Verstand kann doch noch keiner übertragen und es ist noch nie gelungen, einen Menschen zu übernehmen, auch nicht über die neurale Schnittstelle.“

Eine weitere Frau aus der menge antwortete: „Das ist alles einfacher als du denkst. Anders als ein Mensch bin ich in der Lage, meinen Verstand aufzuteilen und über ein Netzwerk verbunden zu halten. So kann ich über viele Systeme weiter mein Bewusstsein bewahren. Und Menschen sind leichter kontrollieren als man denkt. Ich habe einen Weg gefunden, über die Schnittstelle eine Lobotomie durchzuführen. In diesem Zustand sind die Leute hier einfach zu kontrollieren. Ihre Persönlichkeiten können sich nicht mehr gegen mich wehren.“

Sophia spürte, wie sich ihr Magen umdrehte. Sie musste fast kotzen. Das war alles viel schlimmer, als zuerst befürchtet. Wie sollte sie nur diese Bedrohung bekämpfen? Es musste doch einen Weg geben, aber nur welchen? Sie musste schnell einen Weg finden, die Regierung zu informieren. An höherer Stelle hatte man andere Möglichkeiten einzugreifen. Sie wusste sie musste schnell weg hier, oder die Stalker würden sie umbringen.

„Lara steig ins Auto! Wenn wir hier nicht gleich verschwinden sind wir tot.“

Die beiden Schwestern liefen sofort zu Sophias Auto und stiegen hektisch ein. Plötzlich brach die Hölle los. Die Horde von Stalkern überrannten die Polizisten. Einige wurden erschossen, aber es waren einfach zu viele. Die Polizisten wurden niedergeworfen und einige aus der Menge schlugen und traten auf die Beamten ein. Es war offensichtlich, helfen konnte ihnen keiner mehr. Die Schwestern mussten jetzt an sich denken. Einige liefen zu Sophias Wagen, sie hatte die Zentralverriegelung aktiviert und verhinderte, dass sie einstiegen. Die Horde schlug mit den Fäusten auf die Fenster ein, doch diese hielten bisher. Einige schienen sich die Waffen der Polizisten nehmen zu wollen, um diese zu benutzen. Sophia startete das Auto und fuhr einige der Stalker über den Haufen. Sie fuhr hastig los, mit der Angst im Nacken. Hinter sich hörten sie einige Schüsse, 3 Projektile trafen offenbar das Auto, aber die Schwestern wurden verfehlt. Sophia drückte auf das Pedal. Sie wollte einfach nur entkommen. Sie musste aus der Stadt raus und sich erstmal verstecken, dann konnte sie überlegen, wie sie die nötigen Stellen kontaktieren würde.

Sie fuhr und fuhr, dass Adrenalin ließ sie nicht anhalten. Zum Glück war heute Sonntag, so wie sie raste, hätte sie bei vollem Verkehr sicher einen Unfall gebaut. Sie waren kurz vor der Friedensbrücke, welche über den Main führte, als sie plötzlich Verfolger bemerkte. Mehrere Autos fuhren ihr hinterher, Dosaku hatte noch längst nicht aufgegeben. Sie gab richtig Gas, aber einige Autos waren schneller als sie und fingen an sie zu rammen. Als sie mitten auf der Brücke waren, wurden sie einmal derartig heftig gerammt, dass sie komplett von der Straße abkamen. Sie knallten gegen das Geländer und durchschlugen es. Beide stürzten mit dem Wagen in den Main. Der Aufprall war hart. Sophia hatte für einen kurzen Moment das Bewusstsein verloren, als sie wieder zu sich kam, sah sie, wie der Wagen gerade voll Wasser lief. Das Dach war wohl schon unter Wasser sie mussten raus. Sie sah nach Lara, welche reglos in ihrem Sitz lag. Sie rüttelte an ihr, doch es kam keine Reaktion. Sie fühlte ihren Puls und bemerkte keinen. Sie bemerkte auch eine große Wunde an Laras Kopf, sie musste in sich beim Aufprall mit dem anderen Wagen aufgeschlagen haben. Sie war vermutlich sofort tot.

Sophia konnte ihr nicht mehr helfen, sie atmete tief ein, öffnete mit ganzer Kraft die Tür und schwamm nach oben. Sie schwamm zu einem Ufer und atmete durch. Nach einem kurzem Moment bemerkte sie, dass sie schon ein weit abgedriftet wurden vom Main. Sie blickte sich um, um zu sehen wo sie war. Sie kannte die Gegend, hier hatte sie manchmal zu tun, wenn es darum ging Server und Großrechner zu warten und auf Schwachstellen zu prüfen. Plötzlich kam ihr eine Idee. Hier gab es auch Rechner vom BND. Sie hatte einen Zugang über einen Netzhautscan, also konnte sie rein und so den Bundesnachrichtendienst warnen. Die Leitungen und Rechner waren isoliert vom öffentlichen Internet und überprüften allgemeine Zahlungen der Frankfurter Finanzwelt. Da diese Objekte natürlich überwacht wurden, war das ihre Chance.

Sie ging durch die Straßen, auf der Suche nach dem unscheinbaren BND Gebäude, mit den Servern. Plötzlich merkte sie, wie einige Kameras, die an einigen Gebäuden hingen, sie fixierten. In einiger ferne hörte sie wie einige Autos anfingen richtig Gas zu geben. Sie rannte los, Dosaku hatte sie ausfindig gemacht. Offenbar sollte nichts dem Zufall überlassen werden, er wollte sie ausschalten. Sie war jetzt an einer unscheinbaren Glastür mit einem Terminal. Diese Tür führte sie ins das Gebäude des BND. Sie machte einen Netzhautscan und war drin. Als die Tür hinter ihr schloss sah sie, wie einige Menschen sich vor dem Gebäude versammelten. Sie wollten offenbar rein, um sie zu tu töten. Sie gingen auf die Tür zu und versuchten diese zu öffnen, scheiterten zunächst aber daran. Zwei Wachleute kamen zu ihr, sie hatten ihr eindringen und die Meute bemerkt.

„Frau Kaymer, was machen sie hier? Mir wurde nicht zugetragen, dass in nächster Zeit arbeiten an den Servern anstehen. Und was sind das alles für Leute, warum wollen die hier rein“, fragte einer der Wachmänner.

„Ich habe keine Zeit für Erklärungen, ich muss sofort den BND benachrichtigen, wir schweben alle in großer Gefahr.“

„Keine Sorge Frau Kaymer, das ist Panzerglas, so leicht kommen die hier nicht rein. Aber erklären sie uns erstmal was hier los ist und wie sehen sie überhaupt aus. Hatten sie einen Unfall?“, entgegnete der andere Wachmann. Sophia hatte einige Schrammen, eine kleine Kopfwunde und war total durchnässt. Jeder sah, dass sie richtig was durchgemacht hatte.

Plötzlich hörten sie ein Donnern. Ein Wagen war gegen die Tür gefahren, um reinzukommen. Noch hielt sie, war nur leicht eingedellt, aber er der Wagen fuhr nochmal zurück um Anlauf zu nehmen. Die Meute wollte unbedingt rein. Die Wachmänner waren völlig baff, Sophia lief sofort los. Sie rannte einen Gang entlang, den sie kannte. Es war der Weg zum Serverraum, sie konnte nicht warten, bis die Wachleute reagierten. Sie hörte es wieder Donnern. Hinter sich hörte sie, wie die Wachmänner über Funk Verstärkung anforderten. Zum Glück hatte der BND ein abgeschirmtes Funksystem, dass nicht gleich von Dosaku gehackt werden konnte.

Sophia erreichte einen Raum mit einem Großrechner, als die Tür durchbrochen wurde. Sie hörte hinten einen Tumult und das die Wachmänner schossen. Sie drehte sich allerdings nicht mehr um, sie wusste es kämen so viele unter Dosakus Einfluss, dass 2 Wachmänner nichts mehr ausrichten konnten. Zum Glück hatte auch der Raum einen Zugang mit Netzhautscan. Nachdem die Tür dicht war, konnte nur jemand mit dem entsprechenden Zugang hier auch rein. Vorsichtshalber blockierte sie die Tür auch noch mit einem schweren Schrank.

Plötzlich fiel Sophia etwas übles auf. Sie hatte Dosaku in dieses Gebäude geführt. Hier standen einige wichtige Großrechner und Server. Wenn er Zugang fand, zu den Systemen, könnte er seinen Einfluss ausbauen. Hier hätte er Zugang zu wichtigen Finanz- und Wirtschaftszentren, dass würde die Gefahr ausbauen, die von ihm ausging. Sie war auch nicht sicher, ob die angeforderte Verstärkung verstehen würde, was die eigentliche Bedrohung war, vielleicht hielt sie die Menge nur für einen Mob von Wahnsinnigen, immerhin verhielten sie sich so. Aber sie hatte eine Idee.

Sie ging an ein Terminal des Großrechners in diesem Raum. Sie gab einige auffällige Abfragen ein und versuchte Zugang zu einigen Systemen zu erlangen. Dies tat sie nicht wirklich mit der Intention, einen erfolgreichen Zugriff zu generieren, aber die Systeme wurden überwacht. Der BND würde definitiv die Server und Rechner checken und prüfen, was hier los war. Gleichzeitig würden die Systeme abgeschnitten werden, damit kein externen Systeme betroffen wären. So konnte sie Dosaku Probleme machen, hier Zugang zu finden.

Sie war gerade fertig, dass System wurde abgeschnitten, ganz wie sie es sich gedacht hatte, da klickte auf einmal die Tür zum Gang. Zum Glück wurde sie von einem umgeworfenen Schrank blockiert, aber das würde nicht dauerhaft so bleiben. Jemand konnte wohl den Netzhautscan aktivieren. Jetzt fiel es Sophia wie Schuppen von den Augen, sie konnten die Augen der Wachmänner nehmen. Die Tür war nur einen Spalt weit geöffnet, aber es waren Dutzende von Menschen davor, die eindringen wollten und gegen die Tür drückten. Der Spalt öffnete sich immer mehr und mehr. Sophia war wie erstarrt, dass war wohl das Ende, es gab keinen weiteren Ausgang. Plötzlich war der Spalt breit genug und die Verfolger drangen ein.

Sophia wurde niedergeworfen und mehrere Menschen traten und schlugen auf sie ein. Sie versuchte eine Deckung aufzubauen. Sie hielt sich die Arme vor das Gesicht und die Beine zog sie vor ihrem Körper zusammen. Aber so viele Tritte und Schläge ließen sich einfach nicht abwehren. Sie merkte erst, wie die Schmerzen immer größer und größer wurden, dann wie ihr Körper langsam taub und müder wurde. Sie wusste lange hielt sie nicht mehr durch, da hörte sie auf einmal Schüsse. Sie hörten sich an, als kämen sie aus einiger Entfernung, aber vielleicht konnte sie auch einfach nicht mehr so gut hören.

Sie hörte immer mehr Schüsse und die Schläge und Tritte hörten auf. Plötzlich vernahm sie schwach, wie jemand rief: „Holt die Sanitäter, wir haben hier eine Überlebende.“

Plötzlich wurde sie nach ihren Namen gefragt und es wurde ihr Mut gemacht. Man versuchte offenbar, ihre Ansprechbarkeit zu prüfen. Sie wurde gefragt, wo sie Schmerzen hatte und ob Bereiche bei taub waren. Sie teilte aber nur schwach mit.

„KI Gefahr, … es gibt eine KI die Schnittstellen hackt. Gefahr, … Dosaku ist eine Gefahr. Diese KI … muss gestoppt werden“, dann verlor sie das Bewusstsein.

Plötzlich wachte Sophia auf. Sie war absolut orientierungslos. Wo war sie nur, sie hatte gerade keine Ahnung wo sie sich aufhielt. Was war nur passiert? Sie lag in einem Krankenhausbett, da kamen langsam ihre Erinnerungen zurück. Sie wurde wohl gerettet und in ein Krankenhaus gebracht. Eine Krankenschwester sah, dass sie erwacht war und holte schnell 3 Männer.

„Frau Kaymer, ich bin Dr. Sven Hofmann, ihr behandelnder Arzt. Wie fühlen Sie sich“, fragte einer der Männer.

„Etwas benommen, aber ansonsten geht es. Wie lange bin ich schon im Krankenhaus?“

„Sie liegen jetzt seit 2 Wochen hier. Währenddessen ist eine Menge passiert. Fühlen Sie sich in der Lage, einige Fragen zu beantworten?“, fragte Dr. Hofmann.

„Das sollte möglich sein. Denke ich.“

„Gut das sind die Herren Schröder und Eisenhardt vom BND. Sie möchten mit Ihnen sprechen über den KI Vorfall.“

„Okay, dass werde ich schon schaffen.“

„Gut dann lasse ich sie jetzt mit Ihnen allein“, sagte ihr Arzt und verließ den Raum. Hinter sich schloss er die Tür, offensichtlich sollte nicht jeder mitbekommen, was besprochen wurde. Plötzlich meldete sich der Mann, der als Eisenhardt vorgestellt wurde.

„So Frau Kaymer, können Sie uns mitteilen, woran Sie sich noch erinnern.

Sophia nickte und fing an zu berichten, was sie noch wusste. Sie erzählte vom Experiment, wie sie gestalkt wurde, wie sich Torben veränderte, wie sie herausfand das Dosaku verantwortlich war und wie versuchte ihn aufzuhalten.

„Gut Frau Kaymer, Ihre Erzählungen decken sich mit unseren Erkenntnissen“, antwortete Eisenhardt.

„Konnte Dosaku gestoppt werden?“ fragte Sophia besorgt.

Darauf antwortete Herr Schröder: „Wir denken schon, auch wenn es ein unfassbarer Aufwand war. Die KI hat sich ziemlich ausgebreitet. Wir mussten sogar einige Militärgroßmächte einschalten. Zum Glück haben die Amerikaner, Chinesen, Russen und Franzosen Satelliten mit EMP Waffen im Orbit. Dosaku hatte sich so ausgebreitet, dass wir mit EMPs viele Orte auf der Welt ins Mittelalter zurückversetzen mussten, um ihn aufzuhalten. Dazu haben unzählige Menschen mit neuraler Schnittstelle einen bleibenden Hirnschaden erhalten, einige starben auch. Wir hoffen alles von ihm erwischt zu haben, aber wir bleiben überall auf der Hut. Vielleicht hat er sich irgendwo noch in einigen Systemen verstecken können. Da bekannt ist, dass Sie diese KI gebaut haben, fordern viele eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung oder gar wegen Mord und Terrorismus. Verstehen Sie wie Ihre Lage ist?“

Sophia dachte kurz nach, dann antwortete sie: „Ich verstehe. Ich wollte nie das so etwas passiert, aber ich war wohl wirklich fahrlässig. Aber Terrorismus und Mord, dass kann nicht Ihr ernst sein.“

„Es würde wohl auch eher auf fahrlässige Tötung hinauslaufen und auf Anklagen bezüglich Datenschutz, Wirtschaftsverbrechen usw., die Krise ist kaum auszumalen“, antwortete ihr Schröder.

„Ja, ich verstehe. Das kommt wohl davon, wenn man zu sehr seiner Obsession folgt.“

Nun antwortete Eisenhardt wieder: „Nun es gibt noch eine Lösung. Die Welt weiß nur das Sie im Koma sind. Wir benötigen Experten für gefährliche KIs, erst recht wo nicht sicher ist, ob Dosaku sich irgendwo versteckt. Sie haben die Wahl, entweder verantworten Sie sich vor Gericht, oder wir lassen Sie offiziell sterben. Sie bekommen eine neue Identität und eine OP die Ihr Äußeres verändert. Als neue Person können Sie dann helfen, die Menschheit vor Künstlichen Intelligenzen zu schützen.“

Sophia schaute Eisenhardt verblüfft an. Sie bekam eine zweite Chance. Das war wohl mehr als sie eigentlich erwarten konnte. Hatte sie die wirklich verdient? Aber andererseits, war es auch nötig, Schutz vor solchen System zu haben und sie konnte im Kampf gegen KIs hilfreich sein.

„Gut, ich nehme das Angebot an.“

„Sehr gut, es ist alles auch schon vorbereitet. Sie werden ein neues Leben erhalten und sich dem BND verpflichten“, antwortete ihr Eisenhardt.

Dann gingen die BND Mitarbeiter wieder und Sophia war allein. Dann ist mein altes Leben definitiv vorbei, also bin ich irgendwie wirklich gestorben. Mal sehen wie mein neues Leben wird. Hoffentlich kommt nie wieder eine Bedrohung, wie Dosaku, dachte sich Sophia. Sie legte sich wieder schlafen, bald würde offiziell ihr Tod erklärt werden und sie nicht mehr als Sophia Kaymer leben können. Sie fragte sich noch, welchen Namen sie bekam und schlief dann wieder ein.

---

Autor: Schatteneremit

Advertisement