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Version vom 5. April 2020, 08:43 Uhr

<-- Prolog


18. 12.
8: 13 Uhr

Etwas war schiefgelaufen. Und zwar ganz gewaltig.
Das war Eric Stanfordt von dem Augenblick an klar, in dem er die Eingangspforte des kleinen, unscheinbaren Gebäudes durchschritt, ohne, dass er hätte sagen können, woher diese Annahme kam. Es war, als läge etwas in der Luft, etwas angespanntes, Knisterndes, das, obgleich unsichtbar, keinen Zweifel aufkommen ließ: Irgendetwas war passiert. Etwas, das für irgendjemanden, wenn nicht für sie alle, ausgesprochen unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen konnte.
Die harten Sohlen seiner Arbeitsschuhe verursachten beim Auftreten auf dem Boden klackende Geräusche, die von den Wänden widerhallten und so den Eindruck vermittelten, dass nicht ein einzelner Mann, sondern eine ganze Armee den Gang bis zu der schweren Brandschutztür entlangschritt, hinter der sich das Herzstück der Einrichtung verbarg. Räume, in denen Eric seit Monaten einen Großteil der Zeit verbrachte, die er nicht notwendigerweise dem Schlaf zugestehen musste.
Die Tür war verschlossen. So sollte es sein, so stand es im Protokoll, und doch war irgendetwas falsch daran. Nichts Sichtbares, eher eine Art von Aura.
Eric war nicht der Typ, der an derartigen Humbug glaubte. Er war ein Mann der Wissenschaft – wieso auch sonst sollte er hier arbeiten – und von Vorahnungen oder Ähnlichem hielt er nicht das Geringste. Und dennoch zweifelte er nicht einen Augenblick daran, dass es für dieses Gefühl des Unwohlseins irgendeinen Grund gab.
Etwas passte einfach nicht in das Bild, das ihn normalerweise erwartete, wenn er seinen Arbeitsplatz betrat, ein winziges Detail bloß, das zu benennen er nicht fähig war, wie ein einziges fehlerhaftes Teil in einem riesigen Puzzle. Ein winzig kleiner Unterschied in der Szenerie im Vergleich zum gestrigen Abend, als er das Feld für die Nachtschicht geräumt hatte und nach Hause gegangen war.
Als Eric seine Karte auf das Feld des Scanners drückte, bemerkte er, dass seine Finger zitterten. Nicht vor Angst oder Nervosität, sondern aus einer tiefen inneren Anspannung heraus, der wiederum eine Mischung aus Neugierde, Misstrauen und Argwohn zugrunde lag.
Was auch immer schiefgelaufen war – verantwortlich dafür musste irgendein idiotischer Delletant sein.
Die Brandschutztür schloss sich nach seinem Hindurchgehen wieder hinter ihm, und nach kurzer Überlegung wandte Eric sich nach rechts, in Richtung des Besprechungszimmers, dessen schwere Stahltür sich ebenfalls bloß mithilfe seines Ausweises öffnen ließ.
Eben diesen Ausweis hielt er noch immer in der Hand, und dennoch hatte er nicht mehr die Gelegenheit, ihn auf das dafür vorgesehene Feld zu legen und sich so Eintritt zu verschaffen.
„Ah, Stanfordt! Du bist es!“
Eric kannte die Stimme, und dennoch zuckte er zusammen, schaffte es grade so einen Aufschrei zu unterdrücken und zu überspielen, wie sehr ihn diese simplen Worte erschreckt hatten.
„Wer sollte es sonst sein?“, brummte er knapp, wandte sich um, um der Quelle der Stimme in die Augen zu blicken.
Dr. Amelie Grayson, die dort vor ihm stand und derart übermüdet aussah, als habe sie nicht bloß eine, sondern mindestens drei Nachtschichten ohne Pause hinter sich, schien nicht die Absicht zu haben, sich lange mit Floskeln der Höflichkeit aufzuhalten. Mit kühler, emotionslose Stimme bestätigte sie, was Eric seit Betreten des Gebäudes vor kaum mehr als zwei Minuten geahnt hatte: „Die Kacke ist hier echt am Dampfen!“
Unter normalen Umständen hätte Eric über diese vulgäre Ausdrucksweise die Nase gerümpft, doch die Art, wie Grayson ihn ansah, wie ernst die Mine dieser ansonsten so albernen Frau war, hielt ihn davon ab. Wenn Grayson etwas dazu brachte, auf ihre üblichen Späße zu verzichten, dann musste es wahrhaftig ein riesiger Haufen dampfende Kacke sein.
Ein Nachharken seitens Eric war nicht nötig, bedeutete Grayson ihm doch bereits, ihr zu folgen, und so schritten sie gemeinsam den Gang entlang, in Richtung des Bereiches, in dem die Zimmer der Patienten lagen. Das war nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut. Das roch in der Tat nach einem großen, metaphorischen Haufen Scheiße.
Das Erste, was Eric erblickte, als er den fensterlosen Raum betrat, waren die beiden anderen Wissenschaftler, die am heutigen Morgen Dienst hatten. Haystings und Cormins standen nebeneinander vor dem Bett an der hinteren Wand und betrachteten eben dieses, hoben nicht einmal den Blick als er und Grayson den Raum betraten.
Was immer sie dort so faszinieren mochte – es bedeutete nichts Gutes.
Grayson blieb neben den beiden stehen und bedeutete ihnen, einen Schritt zur Seite zu machen; einer Aufforderung, der sie unwillkürlich Folge leisteten… und nun sah Eric, auf was ihre Aufmerksamkeit gerichtet war, und es bestand keinerlei Zweifel daran, dass eben dieser Anblick auch der von Grayson erwähnte dampfende Haufen Kacke war, und auch der Ursprung dieser nicht greifbaren Anspannung, die von dem gesamten Gebäude Besitz ergriffen zu haben schien.
„Ist…das Bunderson?“, fragte Eric, einfach, um irgendetwas zu sagen, dabei war die Antwort doch offensichtlich.
Das Gesicht des Mannes war ihnen zugewandt, die leeren, toten Augen schienen ihn direkt anzustarren, der Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet und getrocknetes Blut klebte an seinem Kinn. Nicht nur dort, wie Eric gleich darauf feststellte, das gesamte Laken unter ihm war rot verfärbt und seine Kehle war eine einzige, verkrustete Masse, aus der ein funkelndes Stück Metall herausragte. „Das ist ein Teil des Bettgestells!“, schoss es Eric durch den Kopf, und ein Gefühl der Verblüffung überkam ihn. Er konnte nicht auf Anhieb sagen, wer der Bewohner dieses Zimmers und damit auch sehr wahrscheinlich der Urheber dieser grausamen Szene gewesen war, doch musste er über reichlich viel Kraft verfügt haben, um diese Metallstange erst demontieren zu können und sie dann dem Nachtwächter nicht nur in, sondern einmal durch den Hals zu rammen, sodass sie auf der anderen Seite seines Körpers wieder herausragte.
„Ja, das ist er.“, beantwortete Haystings Erics zuvor gestellte Frage, die der bereits wieder ganz vergessen hatte, dann fuhr sie fort: „Cormins hat ihn heute morgen gefunden. Wir haben schon mit den anderen Pflegern gesprochen, aber keiner hat was mitbekommen. Und Jenkins ist wohl wieder vor den Monitoren eingepennt. Wir haben uns die Bänder schon angesehen, aber na ja… sonderlich viel weiter hat uns das nicht gebracht.“
„Wer war das?“ Eric hatte keine große Lust auf unnötige Abschweifungen, gleichzeitig verdrehte er im Geiste die Augen bei dem Gedanken an diesen Vollidioten Jenkins, einem Collegeabbrecher aus Nebraska, der regelmäßig die Nachtwachen übernahm, wenn es wieder einmal an Personal mangelte, und ebenso regelmäßig dabei einschlief. Was für ein Vollidiot.
„Ihr Name ist Tasha McAllister.“ Nun hatte Dr. Cormins das Wort ergriffen, er sprach ruhig und gefasst, und derart unbeeindruckt, als gäbe er lediglich die Wettervorhersage des heutigen Tages wieder. „Vor ungefähr drei Jahren mit Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium aufgenommen. Der Tumor hatte sich durch die Therapie ziemlich schnell zurückgebildet, allerdings kam es nach wenigen Monaten zu einem Rezidiv. Seitdem wurde die Therapie fortgesetzt, mit Erfolg, bloß traten als Nebenwirkungen immer wieder akute psychotische Schübe auf.“
Einen Augenblick lang schwiegen alle. Eric nickte nachdenklich, obgleich er noch nicht wirklich alle Details der soeben getätigten Aussage erfasst hatte, Cormins neigte stets dazu, Dinge so kurz wie möglich und so lang wie nötig auszuführen. Psychotische Zustände durch die verabreichten Medikamente. Das war schon häufig vorgekommen, in mehr oder weniger spektakulären Ausmaßen, und das war auch der Grund, dass die an sich so erfolgreichen Krebsmedikamente bisher noch nicht auf dem freien Markt zugelassen worden waren. Doch war bisher noch nie etwas passiert, das derart… ärgerliche Konsequenzen für sie nach sich ziehen könnte.
„Also war sie psychotisch, als sie Bunderson abgestochen hat?“ Eric ekelte sich selbst ein wenig vor dieser lapidaren Formulierung, doch war es doch passend. Seine drei Kollegen, die sich anscheinend allesamt auf dem gleichen Stand der Dinge befanden, nickten nahezu synchron.
Nun ergriff Grayson wieder das Wort, und Eric ahnte bereits, dass sie sich im Gegensatz zu Cormins nicht sonderlich kurz halten würde. „Wie gesagt, wir haben uns die Überwachungsbänder angesehen. McAllister ist gegen drei Uhr aufgewacht und hat sich übergeben. Hat dabei die ganze Zeit mit irgend jemandem geredet, und dann hat sie diese Stange aus ihrem Bettgestell gerissen. Hat sich unter der Bettdecke versteckt und angefangen, rumzuschreien, vollkommen hysterisch, bis Bunderson schließlich reingekommen ist um zu gucken, was mit ihr los ist. Ich glaube, er wollte sie schlagen – na ja, du weißt ja, wie er ist… oder, war, tja, und dann hast die ihm die Stange erst gegen den Kopf geschlagen und dann durch den Hals gerammt.“ Sie machte eine bedeutungsschwerere Pause, und obgleich Eric kein sonderlich leicht zu beeindruckender Mann war, sondern eine Person, die schon vieles in ihrem Leben gesehen und ertragen hatte, fröstelte es ihn ein wenig.
Doch ihm blieb nicht lange Zeit, um die Worte sacken zu lassen, denn seine Kollegin fuhr bereits fort: „Sie hat sich seine Karte genommen und ist rausgelaufen. Hat die Türen geöffnet, ist ein bisschen im Gebäude herumgeirrt, aber war zu vorsichtig, um einem der anderen Nachtwächter über den Weg zu laufen… und irgendwann hat sie dann den Ausgang gefunden.“
„Soll das heißen, sie ist weg?“ Eine vollkommen unnötige Frage, das war Eric durchaus bewusst, die Antwort war doch offensichtlich. Doch ein Teil seines Gehirns weigerte sich, das zu glauben. Das konnte doch einfach nicht sein. Wie sollte diese Frau, die er, jetzt, wo er ihren Namen gehört hatte, deutlich vor sich sah; eine kleine, zierliche Erscheinung, es geschafft haben, Bunderson zu überwältigen? Wie konnte es sein, dass niemand etwas bemerkt hatte, dass erst Cormins entdeckt hatte, was geschehen war, obwohl doch Stunden vergangen waren, in denen Bunderson tot in diesem Zimmer gelegen hatte? Er wollte fragen, ob Bunderson nicht vor Betreten des Zimmers einen Funkspruch an seine Kollegen abgesetzt hatte, so wie es die Regel war, doch auch diese Frage wäre unnötig gewesen.
Eric wusste wohl besser als seine hier anwesenden Kollegen, wie oft Bunderson nachts ohne irgendein Wort in irgendwelchen Zimmern verschwunden war, nicht immer aus einem triftigen Grund, zumindest nicht für Außenstehende. Er wusste, was er dort getan hatte, immer wieder, unbemerkt von den anderen, die ihre Schicht lieber mit Kartenspielen oder dem Konsum von Pornos verbrachten, denn im Normalfall ereignete sich nie etwas spektakuläres in den Nächten. Nichts außer Bundersons Besuchen bei vorrangig ruhiggestellten, weiblichen Patientinnen.
Natürlich hatte er niemandem Bescheid gegeben. Und natürlich war es bei näherer Überlegung nicht weiter verwunderlich, dass McAllister ihn hatte überwältigen können, denn Bunderson war ein arroganter Sack, der immer schon dazu geneigt hatte, unvorsichtig zu sein, seine Mitmenschen zu unterschätzen.
Oh Gottverdammt. Grayson hatte definitiv recht gehabt – das hier war ein dampfender Haufen Scheiße.
„Wir haben das Sicherheitsteam zu McAllisters Wohnadresse geschickt.“ Wieder hatte Cormins das Wort ergriffen, wieder mit dieser nüchternen Wetterbericht-Stimme. Grayson nickte bestätigend, fuhr dann fort: „Genau, das ist wohl der wahrscheinlichste Ort, an dem sie auftauchen wird. Falls sie nicht schon da ist. Also wenn wir Glück haben, können wir das Ganze bald aufklären, ohne dass wir zu viele Probleme bekommen…“
Sie gab sich alle Mühe, selbstsicher zu klingen, so fröhlich, wie es ihrem Naturell entsprach, doch selbst ihr war die Anspannung deutlich anzuhören, und es würde nicht einmal mehr zwanzig Minuten dauern, bis klar sein würde, dass diese Anspannung mehr als gerechtfertigt gewesen war.
Dass Eric, Grayson, Cormins, Haystings und das ganze verdammte Projekt tief in der dampfenden Kacke steckten.