Deutsches Creepypasta Wiki
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,,In einem Meer aus Reichtum, in der Gier und Gewalt Hand in Hand übers Wasser schreiten, wird der genügsame Frieden jämmerlich ertrinken."


3.111.998 Pm.

Was für ein lächerlicher Witz. Ich hätte über die Ironie dieser Situation fast schon lachen können, wenn es nicht zeitgleich so unfassbar traurig gewesen wäre. Früher hatte ich über 2.000.000.000 "Prets" auf diesem Konto. Nun war es bis auf die paar Krümel, die mir geblieben waren, aufgebraucht. Wie lange würde es wohl noch reichen? Zwei, vielleicht drei Tage. Spätestens dann wäre es aus und ich würde mich gezwungen sehen, mein Dasein als eine jener traurigen Gestalten zu verbringen, die sich bereits unter meinem Zimmerfenster geradezu zu stapeln begannen.

Viele von ihnen waren schon lange tot, aber scherte sich auch nur eine Menschenseele darum, dass der schreckliche Gestank ihrer Verwesung die Straßen meines Viertels immer weiter zu fluten begann? Nicht im Geringsten. Sie stachen einen nach dem anderen von ihnen ab, schämten sich nicht einen Deut für ihre Taten und hatten dann noch nicht einmal den Anstand ihre Kadaver gesetzeskonform zu entsorgen.

Was kümmerte es mich ob sie eine angemessene Bestattung erhielten oder ihren Familien die Gelegenheit gegeben wurde, sich von ihren Liebsten zu verabschieden. Überhaupt nicht - aber ihre Leichen einfach zu dem restlichen Müll auf der Straßen zu schmeißen und vor sich hin faulen zu lassen, ging mir gehörig auf den Sack.

Nun waren es schon fast drei Monate, seitdem damals der erste von ihnen sechs Stockwerke tiefer zu stinken begonnen hatte und inzwischen war die Zahl dieser armen Schweine so stark angestiegen, dass dieser widerliche Berg aus Fleisch nun schon bis zum 4. Stock reichte. Ich mochte mir gar nicht vorstellen wie es den Leuten im 1. Stockwerk erging, falls sie sich nicht schon mittlerweile auf der anderen Seite des Zimmerfensters befanden.

Ohne groß meine Lunge mit unnötigem Einatmen zu strapazieren, ging ich zum Fenster zu versperrte es. Zumindest über Nacht musste ich diese verfluchte Bude lüften, wenn ich nicht wie ein Hummer bei lebendigem Leibe gekocht werden wollte. Wenigstens minimierte sich im schlafenden Zustand der Geruch, auch wenn ich manchmal glaubte, dass er mich manchmal bis in meine Träumen verfolgte.

Kennst du den Geruch von faulendem Fleisch? Es ist schlimmer als alles was du dir vorstellen kannst. Vergiss den Gestank von Schweiß, Pisse, Scheiße, Kotze oder Schimmel. Fäulnis übertrifft sie alle. Dieser süßliche Duft von Tod, der einen immer wieder an seine eigene Verderblichkeit erinnerte. Die schlimmste Eigenschaft die faulendes Fleisch jedoch an sich hatte, war seine penetrante Angewohnheit sich in alles hineinzufressen. Egal ob Wände, Fußböden oder gar Personen. Warst du einmal in Kontakt dem Atem des Todes in Berührung gekommen, wurdest du ihn so schnell nicht wieder los. Es blieb hartnäckig.

Verdammte Solarfabriken. Wenn die nicht wären, wäre ich nicht dazu gezwungen jede Nacht dieses beschissene Fenster zu öffnen. Bis vor einem Jahr noch lebte ich im 28. Stock des Baverro Viertels, mit Klimaanlage und einer fantastischen Aussicht auf die Sonnenfänger und die darumliegenden Gossen, ohne auch nur zu ahnen, dass es mein Schicksal war, eines Tages ebenfalls in diesen Gossen herumzustreunen, wie eine widerwärtige Ratte.

Ich betätigte die Kaffeemaschine und warf nochmals einen Blick auf die kleine Karte, die man mir damals als Kleinkind in den Arm eingesetzt hatte. 3.101.972. Scheiße, knapp 10.000 Prets und das nur fürs Aufstehen, Fensterschließen und Kaffee kochen. Diese Drecks-Karten. Meine Ur-Großmutter hatte mir mal gesagt, dass es damals auch Karten gab, die das Leben der Menschen bestimmten, nur damals trug man sie noch außerhalb des Körpers. Ich fand das absurd, denn was wäre, wenn man sie verlieren oder vergessen würde, doch sie meinte nur, dass sie zwar nicht physisch, dafür psychisch genauso stark mit ihren Karten verbunden waren, wie wir heute mit unseren.

Nachdem ich meinen Kaffee getrunken und weitere 5.000 Prets von meinem Konto verschwunden waren, zog ich meine Jacke sowie die Schuhe an und verließ die Wohnung. Irgendwelche Typen hatten vor gut zwei Monaten ein riesiges Loch in die Seitenwand des Gebäudes gesprengt. Hat ziemlich gerummst und ich glaube die Kerle wurden sogar kurz darauf geschnappt und verpreist, aber immerhin hatten wir somit endlich einen Ausgang, der uns einen Weg um den großen Leichenhaufen vor dem eigentlichen Eingang führte.

Außerdem hatte es den kleinen, aber feinen Vorteil, dass die Kosten zum Verlassen des Hauses deutlich gesenkt wurden. Waren es vorher noch 800 Prets, um die Tür zu öffnen, so waren es jetzt nur noch 100 Prets für die Schritte, die es brauchte, um durch das riesige Loch in der Wand zu gehen.

Draußen war bereits die Hölle los und damit spielte ich nicht nur auf die gewaltige Hitze an, die zwischen den Häusern hindurchströmte. Jenen Häusern, die so gewaltig waren, dass man die oberen Stockwerke schon gar nicht mehr erblicken konnte, trotz eines völlig wolkenfreien Himmels.

Nein; ich sprach vor allem von den gequälten Schreien und dem Wehklagen jener Menschen, deren Kontostand sich einem erschreckenden Tief entgegen neigte und ihre Zukunft einem baldigen Ende entgegen blickte. Mein Blick blieb starr auf meinen Weg gerichtet, was anderes blieb mir gar nicht übrig. Zu Anfang hatte ich versucht dem Elend um mich herum ins Gesicht zu sehen, doch je länger du es ansahst, umso eher begann es auch sich an deine Fersen zu heften, das begriff ich in dieser Gegend recht schnell.

Nun wanderte ich nurmehr durch eine Geräuschkulisse aus Tod und Leid. Über mir das Zischen der Sonnenfänger, unter mir der schmatzende Klang von Schlamm und Abfällen, die von meinen Schuhen breit getreten wurden und links und rechts das Schreien von Unschuldigen und Schuldigen gleichermaßen, die alle ihrem unausweichlichen Ende entgegenblickten, dass einen früher oder später sowieso ereilen würde.

Die Unschuldigen. Früher hatte ich sie beschützt, doch für ausgediente Polizisten wie mich war das hier kein Ort wo man alte Werte wie Moral, Anstand oder Sicherheit verteidigte. Hier war jeder auf sich alleine gestellt und wer sich nicht fügte und versuchte genügsam zu leben, der wurde innerhalb der nächsten Tage ausgesondert.

So waren hier die Regeln. Einfach sowie grausam. Wo früher noch gemeinsames Gelächter durch die Straßen hallte, ertönten nun laute Schreie, die innerhalb weniger Sekunden wieder einer nach dem anderen verstummten.

,,Du bist zu spät," ertönte es von der Seite und als ich aufblickte, sah ich eines der wenigen vertrauten Gesichter in diesem Meer aus Fremden.

,,Tut mir leid, kommt nicht wieder vor."

,,Das will ich hoffen," sagte sie und stämmte ihre Arme in die Hüfte. ,,Außerdem will L dich sprechen. Sie meinte es sei wichtig. Mach dir aber keinen Stress, Allan sagt, sie wird erst gegen 7 hier auftauchen."

Ich ging hier hinterher, wobei ich nochmals einen kurzen Blick auf meinen Arm warf:

3.003.435...

Die Bar war wieder bis zum Bersten voll. Hätte die Theke, hinter der wir standen, keine abschirmende Scheibe, wäre diese Masse an Menschen fast zu uns übergequollen. Jeder aus der Oberschicht würde uns für unvernünftig und lebensmüde halten, dass wir uns hier alle wie in einem Bienenstock tummelten, aber was kümmerten mich diese betrunkenen Idioten auf der anderen Seite des Tresens. Hauptsache ich war außer Gefahr und der Großzügigkeit von L war es zu verdanken, dass wir uns hinter einer kugelsicheren Glaswand in Sicherheit wiegen konnten. Uns wurden sogar Schutzwesten angeboten, aber bei der Hitze die draußen herrschte und durch die Menge an Leuten hier drinnen nur intensiver wurde, fiel es mir und Tanja nicht im Traum ein so ein dickes Kleidungsstück überzuziehen.

Abgesehen davon, dass hier und da ein Schuss oder ein schmerzerfülltes Stöhnen infolge einer tödlichen Messerattacke ertönte, war es eigentlich ein relativ ruhiger und verhältnismäßig gewöhnlicher Morgen. Bis die Uhr 7 anzeigte und ich in Ls Büro beordert wurde.

Ihr richtiger Name war Lilly, aber niemand nannte sie so und das war auch unter keinen Umständen in ihrem Interesse. Sobald man sie sah, wusste man auch wieso. Sie war nicht gerade eine Schönheit und die besten Jahre ihres Lebens schienen auch schon seit Jahrzehnten vorrüber gewesen zu sein, aber sie war kernig und zugleich herzlich und das respektierten die Menschen, die sie kannten.

,,Setz dich."

Sie deutete auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch und ich setzte mich wortlos hin.

,,Folgendes - ich habe eine Lieferung an Matthew und ich möchte, dass du diese Aufgabe an dich nimmst und ihm die Ware zukommen lässt. Du bekommst einen Anteil von 5% und sag Matthew, dass er 15% erhält, 20 wenn er es schafft alles herauszufiltern. Ich hab schon alles im Wagen verstaut, du musst eigentlich nur losfahren. Wo Matthew wohnt weißt du aber noch oder?"

Ich nickte.

,,Sehr gut. Ich gebe Tanja Bescheid, dass sie den Laden für 'ne Stunde oder so alleine schmeißen muss, länger wirst du ja sicher nicht brauchen oder?"

,,Ich denke nicht."

,,Ich bin sicher das wird schon, sofern diese Wichser von Alvarez nicht wieder Ärger machen. Letztes Mal hab ich fünf von den Mistkerlen abgeknallt, aber bis die eine Warnung verstehen, sind sie meistens schon längst tot, also pass gut auf dich auf."

Ich nickte erneut, stand auf und nahm die Autoschlüssel entgegen, die L mir reichte.

Die Fahrt durch die Stadt gestaltete sich schwieriger als gedacht, da gefühlt jede dritte Straße so sehr mit toten Körpern eingedeckt war, dass eine Durchfahrt unmöglich wurde. Innerhalb von 20 Minuten hatte ich jedoch Matthews Werkstatt erreicht und seine kleinen Helfer begannen sogleich mit mir die Lieferung in sein 'Atelier' zu schaffen, wie er es gerne nannte.

Der Typ war krank und das wussten alle, auch L, aber er hatte ein besonderes Talent, das ihn für uns alle unentbehrlich werden ließ.

,,Ahh! Hat L schon wieder keine Lust gehabt mir persönlich einen Besuch abzustatten. Naja, wenigstens hat sie einen meiner Lieblingshandlanger damit beauftragt zu mir zu kommen. Wie geht's dir?"

,,Kann mich nicht beschweren und bei dir so?"

,,Ach naja, du weißt schon. Stress, Stress und noch mehr Stress; alles was mir bleibt ist die Kunst."

Er deutete auf eine riesige Skulptur, deren Haupt bis kurz unter die Decke reichte und aus einem Material bestand, das der Grund dafür war, weshalb jeder Matthew als krank abstempelte - Arme.

Große, kleine, weiße, schwarze, nackt, behaart, nur leicht vernarbt oder kaum noch als ehemaliger Teil eines Körpers identifizierbar.

Das war sein Talent. Die übrigen Prets aus den Armen von Toten herauszufiltern. Meist waren die Toten verpreist und hatten keinen einzigen Pret mehr auf ihrem Konto, aber der Vorteil an einer Bar war, dass sich viele schon vorher das Hirn kaputt soffen. Eine glückliche Fügung, deren Vorzüge auch L bald auszunutzen begann. Meist war es nicht sehr viel, aber wenn man genug sammelte, und es war eine Menge, die man sammeln konnte, kam am Ende ab und zu eine ganz ordentliche Summe bei heraus.

,,Stell dir nur vor," begann er, während er den ersten Arm nahm und auf einem kleinen Tisch vor sich platzierte. ,,Gestern kamen ein paar von Alverez' Leuten und wollten, dass ich ihnen über 100 Arme verpreise. Ich meine ich habs getan, da ich die Arme immer gut gebrauchen kann, aber die wollten mir nur 3% Anteil geben, ist das zu fassen? In solchen Momenten wünschte ich mir immer, dass es noch Polizisten gebe, damit die sich diese Dreckssäcke mal vorknöpfen könnten, aber seit wir hier unserem Schicksal überlassen wurden... naja, nicht so wichtig."

,,Ja, ich verstehe was du meinst."

Tat ich nicht, aber es machte mich beinahe nostalgisch an meine Zeit als junger Polizist zu denken. Es gab nicht viel Kriminalität, aber die Bezahlung fiel großzügig aus. Ich trug die schönsten Klamotten, bewohnte die besten Häuser und konnte Essen was immer ich wollte ohne groß auf mein Konto achten zu müssen. Und nun musste ich fast schon meine Schritte zählen, um nicht frühzeitig von der Verpreisung überrascht zu werden.

Als ich das erste Mal einem der armen Teufel begegnete, verstand ich gar nicht so recht, was mit ihm geschehen war. In den Kreisen in welchen ich zuvor verkehrte, kam man selten in den Genuss eine Verpreisung zu beobachten. Man hatte zwar davon gehört, aber gesehen hatte es noch nie jemand.

Als ich den Mann vom Weiten sah, dachte ich erst er sei ohnmächtig oder tot, doch beim Näherkommen, wurde mir klar, dass er einfach nur kataton ins Leere blickte. Immerhin wurde einem das Atmen nicht vom Konto abgezogen, aber ohne einen einzigen Pret, wurde einem jegliche übrige Bewegungsmöglichkeit entrissen. Musste furchtbar sein, gefangen im eigenen Körper und das bis man verhungerte, verdurstete oder von einem Fremden aus seiner Misere erlöst wurde.

Nicht einmal Blinzeln war ihnen vergönnt, weshalb die weit geöffneten Augen des Mannes völlig ausgetrocknet waren und ihn der Blindheit überlassen hatten. Mit etwas Glück starben sie schnell, denn falls der Prozess längere Zeit in Anspruch nahm, musste man hilflos miterleben, wie die eigenen Fenster zur Seele sich in eine Brutstätte für Fliegen verwandelte, die so zahlreich in diesem Parasitenparadies umherirrten.

Und dann kamen die neuen Regelungen...

,,Bin fertig," ertönte es und Matthew reichte mir einen kleinen, blauen Stick auf dem er die Prets gespeichert hatte.

,,Sehr gut. Ich soll dir von L sagen, dass du 15% bekommst und 20, wenn du alles herausgefiltert bekommst."

,,Klasse, 20% also für mich. L ist die Beste, bitte richte ihr das aus. Ihr seit nicht solche Halsabschneider wie dieser Alvarez und seine Truppe aus miesen Pretsklaven."

,,Ich werd's ihr ausrichten. Pass auf dich auf, bis dann."

Matthew winkte, um sich gleich darauf wieder von mir abzuwenden und sich seiner neuen Sammlung an Armen zuzuwenden und über deren Verarbeitung in seiner neusten Kreation nachzudenken.

Ich sah auf die Uhr. Kurz vor 8, ich musste mich beeilen, wenn ich nicht wollte, dass Tanja des Rest des Tages angepisst war. Mein Plan auf die Schnelle zurückzufahren, traf jedoch auf ein abruptes Ende als ich auf eine Kreuzung traf, die von allen Seiten mit Toten versperrt war. Was für eine Scheiße; konnte nicht wenigstens jemand mal die verdammten Straßen freiräumen? Ich war doch sicher nicht der Einzige, der sich hier mit einem Wagen von einem Ort zum anderen bewegte. Erst recht nicht bei diesem Ameisenvolk, dessen Teil ich war.

Seufzend stellte ich den Motor ab, öffnete die Tür und verließ den Wagen, um zumindest ein paar der Leichen beiseite zu räumen. Gott weiß wieviel dieser Aufwand wieder kosten würde. Hoffentlich waren es diese 5% auch wert dafür so viel Energie aufzubringen. Die erste Leiche war eine junge Frau, die sich zum Glück relativ einfach bewegen ließ, doch mit dem fetten Bastard unter ihr begann ich bereits Probleme zu bekommen. Ich wagte es kaum auf meinen Kontostand zu gucken, doch ein kurzer Blick ließ sich nicht vermeiden.

639.327 Pm...

Fuck! Egal, nachdem ich diesen Haufen Fett aus dem Weg geschafft hätte, würde ich einfach über die restlichen Kerle drüberfahren, scheißegal ob sie noch lebten, jetzt hieß es leben lassen oder selber überleben. Die wenigen von ihnen, die noch nicht gestorben waren, würden mir sogar dankbar dafür sein, wenn ich ihre Köpfe unter den Reifen des Wagens wie Walnüsse knacken würde.

,,Keine Bewegung du Dreckskerl."

Die tiefe Stimme, die hinter mir ertönte und der kalte Lauf der Knarre an meinem Hinterkopf sagten mir, dass ich mich soeben bis zum Hals in der Scheiße befand. Eine Falle, eine verdammte Fall... Schon damals, bevor wir als Polizisten außer Dienst gestellt wurden, erhielten wir ab und an den Auftrag in den ärmeren Vierteln die Leichen der Verpreisten wegzuräumen - tatsächlich, damals scherte sich noch jemand um die Gesundheit der Bewohner des Armenviertels. Jedenfalls wurden wir angewiesen jeden Verpreisten genauestens zu beobachten. Vitalzeichenmessung oder Atmungskontrolle musste immer durchgeführt werden, doch bevor wir so ins Detail gingen, mussten wir den Körpern ins Bein schießen.

Es war unmenschlich, besonders für jene, die verpreist, aber noch nicht ermordet worden waren und nun Höllenqualen litten, bis sie auf erbärmlichste Art und Weise verreckten. Aber das Ganze hatte einen speziellen Hintergrund, denn oft tarnten sich Bandenmitglieder oder einzelne Täter als Verpreiste, um ahnungslosen Zivilisten aufzulauern, sie außer Gefecht zu setzen und sie ihren Anführern zu überbringen, die die Betroffenen dann kaltblütig hinrichtete.

Das war die neue Regelung, die verkündet wurde kurz nachdem ich meiner Stellung als Polizist enthoben wurde. Das Problem der Überbevölkerung war allgegenwärtig, aber da es für eine zu lange Zeit ignoriert wurde, begannen auf einmal recht schnell wie Ressourcen wie Nahrung und Energie knapp zu werden. Die Reichen, wer auch sonst, verkündeten daraufhin, dass jeder der arm war und wenig bis kein Einkommen hatte, nun eine Möglichkeit bekam, seinen Kontostand oben zu halten: Extra Prets für die Beseitigung eines Mitbürgers aus dem eigenen Viertel.

Den letzten Punkt hatten sie damals extra hervorgehoben, aus Angst die Unterschichte könnte sich gegen die ihre auflehnen und die Grenze zu ihrem Viertel überrennen, um auf ihre Kosten Kapital herauszuschlagen und nicht andersherum, wie es sonst der Fall war. Das Reichenviertel war das am spärlichsten bewohnte der fünf Stadtteile. Jeder der einen Kontostand von über 1.000.000.000 besaß, konnte sich hier niederlassen. Im nächsten Stadtteil, der Heimat der Zweitplatzierten sozusagen, durfte jeder hausen, der die 500.000.000 Grenze überschritten hatte. Zwar fehlte es dort an diversen Luxusgütern, doch die Lebensqualität war definitiv hoch genug. Die Dritten im Bunde, fanden mit 100.000.000 Pm ein neues Zuhause, doch hier fehlten bereits die meisten Luxusgüter und auch Krankenhäuser und Freizeitaktivitäten waren spärlicher platziert als in Stadtteil 2 und 1.

Dann kam Stadtteil Nummer 4. Hier häften sich bereits die ersten Morde, da keiner in der Rangliste auf den letzten Platz rutschen wollte, den man erreichte, sobald man die 10.000.000 Marke unterschritt. Stadtteil Nummer 5 - das Kopfgeldjäger-Königreich.

Als es mich erwischte, kam es mir so unwirklich vor, fast als würde ich in einem Alptraum festsitzen - und doch war ich hier... wie erstarrt auf einem Berg aus stinkenden Kadavern, während mir irgendein abgefuckter Wichser eine Waffe an den Kopf hielt.

,,Los, steh' auf, ich bringe dich zu Alvarez!"

Vorsichtig hob ich die Hände und stand langsam auf. Meine Augen jedoch wanderten langsam umher, auf der Suche nach weiteren Komplizen. Nur einer - schmächtig, nicht gerade groß, die Waffe am Gürtel tragend.

Pech für sie...

Meine Bewegung war schnell, das Manöver unvorhersehbar und ehe mein Gegner so richtig begriff was los war, hatte ich ihm seine Waffe abgenommen und ihm gekonnt einen fetten Mittelfinger in Form einer Kugel, direkt zwischen seine vor Überraschung aufgerissenen Augen verpasst. Sein Kollege versucht voller Hektik seine Waffe auf mich zu richten, doch bevor er sie von seinem Gürtel gelöst hatte, war auch sein Schädel von einer blitzschnell abgefeuerten Kugel durchbohrt worden.

Ich erhob mich nun vollständig und stieg wieder ins Auto, von welchem diese Mistkerle zum Glück die Finger gelassen hatten. Als ich Ls Büro wieder betrat wurde ich zwar kurz von ihr angeschnauzt, aufgrund dessen, dass ich mich verspätet hatte, doch nachdem ich ihr die Situation geschildert hatte, beruhigte sie sich wieder relativ schnell und schickte mich wieder nach vorne zur Theke wo ich zwar auf eine etwas angesäuerte Tanja traf, doch auch sie konnte ich wieder einigermaßen besänftigen und der Tag ging ohne weitere Probleme seinem Ende entgegen.

Als ich wieder durch Tür in meine Wohnung ging, war die Sonne bereits untergegangen, doch die Wärme ihrer Strahlen hatte mein Zimmer in eine Sauna umgeformt. Sauna - ha, sowas hatten sie in der 3 schon gar nicht mehr und hier in der 5 mussten wir nicht einmal dafür bezahlen. Ich hätte lachen können, doch das Lachen wäre mir ohnehin im Halse stecken geblieben, da der Gestank mich sogleich wieder in die Knie zwang. Ich wollte das Fenster nicht öffnen, aber was blieb mir anderes übrig?

Die Sonne war eine wahre Sadistin. Verwandelte unsere Häuser gnadenlos in Brutkästen und wenn wir dem entgegenwirken wollten und die Fenster öffneten, stieß uns sogleich der Duft der Toten entgegen, die in der starken Hitze nur noch schneller verwesten. Austrocknen oder ersticken - das war die Wahl vor die man hier jeden Tag aufs Neue gestellt wurde.

Die Intensivierung des fauligen Gestanks schon erahnend, ging ich zum Fenster und öffnete es... es ging nicht. Ich drückte fester, schmiss mich förmlich dagegen, doch es war unmöglich das Scheißding aufzustämmen. Ein Blick durch die Scheibe jedoch verriet mir sogleich was der Grund dafür war - der Berg war inzwischen auf mein Stockwerk emporgestiegen. Ich konnte kaum erahnen wie viele von ihnen dort lagen und ich mochte es mir ehrlich gesagt auch gar nicht vorstellen.

Ohne mich weiter um das Problem zu kümmern, entledigte ich mich vollständig meiner Klamotten und legte mich ins Bett. Es war nicht wichtig für mich wer da vor meiner Tür verrottete. Wichtig war nur, dass ich mich nicht unter ihnen befand und ich war fest dazu entschlossen, dass es dabei blieb.

Ich sah auf meinen Arm:

3.247.583 Pm...

Ein guter Tag, doch was war morgen? Schließlich würde ich nicht jeden Tag in Notwehr töten, tat ich ja sonst auch eher selten. Was war also morgen? Die Antwort war: Ich hatte keine Ahnung. Ich würde sicher nicht töten, um ins nächste Viertel zu kommen, aber ich würde töten, um zu überleben. Ich hatte bisher immer aus dem Motiv der Verteidigung heraus gemordet, niemals habe ich einen Unschuldigen attackiert, doch das würde sich in den nächsten Tagen wohl ändern müssen. Es gab wenig Unschuld in dieser Stadt und die die es gab - die starb.

Die Angst vor dem Tod hatte ich vor langer Zeit abgelegt, doch die Angst vor der Wehrlosigkeit, gefangen zu sein in seiner eigenen Haut, Brutstätte von Fliegen zu werden und um die süße Erlösung des Todes zu betteln - das war um einiges schlimmer als ein Gefangener des Geldes und des Systems zu sein.

Wir waren verschieden, von der 1 bis zur 5, doch auch als ich noch in der Eins lebte, weit entfernt von der Fünf und ohne jegliches Wissen über die Zustände dort, gab mir meine Ur-Großmutter einen Satz mit auf den Weg, der mich auf meinen ganzen Weg hinab begleitete:

,,Lebe die Gier oder sterbe mit Großzügigkeit."

Das hatten wir alle gemeinsam...

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