Deutsches Creepypasta Wiki
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Der frische Wind weht kastanienbraune Blätter in mein junges Gesicht. Der nur leicht bewölkte Himmel zeigt keine Anzeichen von einem Unwetter. Mir ist etwas zu warm unter meiner pelzigen Winterjacke, doch die Erkältung, die ich vor einiger Zeit gehabt habe, sollte nicht wieder kommen, meinte meine Mutter. Ich öffne also nur leicht mein Oberteil, um mich in Sicherheit zu wiegen. Die Schule ist zuende und meine Mutter arbeitet noch bis abends. Als Krankenschwester macht es sie sich nicht leicht, aber es bringt bestimmt einige Vorteile in unseren Alltag.

Der Nachhauseweg erscheint mir etwas länger, als gewohnt, mit dem leichten Gegenwind, der meinen Körper abkühlt. Am Waldrand unterwegs, fliegen die bunten Herbstblätter, die entweder von den Bäumen runterfallen, oder vom Boden aufgewirbelt werden. Ich erinner mich damit zurück in die Zeit, als ich immer im Wald gespielt habe.

Tollend durch die Blätter, habe ich lautstark gelacht, sodass die Vögel sich erschreckt haben und davon geflogen sind. Am Bach sind immer Dämme gebaut worden und wir haben natürlich auch oft Verstecken und Fangen gespielt. Und mit den Stöckern waren wir edle Ritter und gefürchtete Piraten. Die Fantasie des Kindes war schon immer grenzenlos.

Bei den Erinnerungen fließen mir kleine Tränen ins Gesicht. Jedes Wetter ist genutzt worden, um in den Wald zu stolzieren und Abenteuer zu erleben. Auch bei Gewitter und Stürmen habe ich mich in die Freiheit geschlichen. Mich hat immer diese Entdeckungslust gepackt. Die Neugier, was alles hinter den Bäumen verborgen liegen mochte.

Das Gebiet, welches den Wald beherbergt, liegt in hohen und felsigen Gebirgen, wo ich gerne wie ein verspieltes Äffchen kletterte und mich nur mit den Beinen an normalerweise stabilen Ästen klammerte.

Ich passiere meinen damaligen Lieblingsbaum, von dem ich nun Albträume und Panikattacken bekomme. Es war eine riesige Kastanienblättrige Eiche, mit elefantenbeindicken Ästen, auf denen man wie wild rumspringen konnte, ohne das auch nur der geringste Schaden entstanden wäre.

Seit dem Tag, als das alles passierte, hab ich schreckliche Angst vor Gewittern. Bei jedem lauten Knall und plötzlich auftauchendem grellen Licht zuck ich zusammen. Es fühlt sich dann wieder so an, als würde ich fallen und dann zerquetscht werden. Und dann sehe ich mich selbst, wie ich unter dem Ast liege, welcher Feuer gefangen hat.

Die Brandnarben auf meinem Rücken lassen mich das nie mehr vergessen. Wie ich meine Beine nicht spürte und zusehen musste, wie das Feuer mich ganz langsam aber sicher erreichte und meine Haut Schicht für Schicht verbrannte. Das habe ich gespürt. Ganz deutlich. Es war ein Wunder, dass ich überlebte. Und es war auch ein Wunder, dass ich nicht ohnmächtig wurde. Ich konnte schreien. Sehr laut schreien. Schmerzhaft laut schreien, sodass meine Mutter mich auf der Suche nach mir entdeckte.

Tränenerfüllt rief sie den Notdienst und schmiss sich gegen den Ast mit aller Kraft, doch der rührte sich keinen Zentimeter. Ihre Brandnarben an den Händen und um das linke Auge machen es für mich unmöglich, meine Mutter noch anzusehen. Sie versuchte es vergeblich immer und immer wieder den Ast zu bewegen und schrie dabei so laut wie ich.

Hätte ich nur damals auf sie gehört und mich nicht rausgeschlichen. Sie warnte mich immer, dass Gewitter hier oben gefährlich sind und ich niemals rausgehen sollte. Doch meine Abenteurlust nahm mir all meine Ängste und machten mich rebellisch.

Heute lebe ich in Angst und tue alles, was Mama mir sagt. Das schulde ich ihr.

Inzwischen bin ich Zuhause und schließe die Haustür auf. Der Wetterbericht sagte Gewitter für heute voraus. Ich parke meinen Rollstuhl und verkriech mich unter die Decke, weine los und hoffe, dass Mama zurück kommt und das Unwetter überlebt.

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